Heimatlexikon Thaleischweiler-Fröschen – 2002- Die Rossellmühle

Die Rosselmühle:
Das lebende Mühlen-Museum im Wallhalbtal

Heimatkalender für das Pirmasenser und Zweibrücker Land  2002

Adolf Luxembourger und Karl Ritter umgeben vom silbernen Mehlstaub
Von Willi Hack


Die Rosselmühle im Wallhalber Mühlental ist das „lebende Mühlen-Museum" in der Wanderlandschaft des Naturschutzgebietes Schauerbach- und Wallhalbtal. Wer einmal am Wehr der Mühle saß, das Rauschen des Wassers wie einen melodischen Gesang hörte, beobachtete wie sich das Mühlrad im Gleichklang mit der Wasserkraft der Natur drehte, der verspürte einen letzten Hauch von Mühlenromantik am ältesten Mühlengut des Tales.
Wer dann noch etwas über die letzten Berufsgeheimnisse und Lebensgewohnheiten eines der ältesten Handwerksberufe der Menschheit erfahren möchte, der muss Adolf und Angela Luxembourger zuhören. Bei jedem Wort der Müllersleute wird deutlich, dass für sie dieser Beruf weit mehr als ein Lebensinhalt wurde. Sie sind mit der Mühlengeschichte des Wallhalbtales zutiefst verwurzelt. Das spüren auch die Touristen, die in großer Zahl alljährlich diese „Perle" am Mühlenwanderweg besichtigen. Da wo einst die Mehlsäcke aufgereiht standen, da lauschen heute die Urlauber den Erläuterungen der Mühlenbesitzer, um zu erfahren, was eine Mahlmühle für die Bewohner einer Region einmal bedeutete.


Eine Kostbarkeit, der Franzose aus der Champagne
Seit der Zeit, in der die Menschheit vom streunenden Jägerdasein zur Sesshaftigkeit und zum Ackerbau und damit auch zum Getreideanbau überging, machte man sich Gedanken, wie man die Körnerfrüchte auf die rationellste Weise zerkleinern könnte, um sie als Mehl zu genießen, denn dies war der Schlüssel, um das wichtigste Grundnahrungsmittel des Menschen, nämlich Brot, backen zu können. Unsere Vorfahren benötigten einst 200 Kilogramm Brot im Jahr. Heute liegt der Verbrauch noch knapp über 60 Kilogramm und sinkt weiter,
Die Beschaffung geeigneter Mühlsteine war für das gute Funktionieren einer Mühle von entscheidender Bedeutung. Zu Beginn benutzte man Sandsteine aus der Umgebung, die nach Möglichkeit eine feste Oberfläche haben sollten. Dadurch wollte man die Verunreinigung des Mehls durch Sandkörner unterbinden. Der am Eingang der Rosselmühle stehende ausgediente Mahlstein ist ein wertvolles Objekt aus der Champagne. Dieser sogenannte „Franzose" war ein teurer Stein, da er eine Lebensdauer von nahezu 70 Jahren hatte und die Reinheit des Mehles garantierte. Eine Kunst für sich war und ist das Schärfen dieser Steine. Darunter versteht man das Einhauen von tiefen und flachen Rillen in die Mahlflächen. Der Müller musste auch diese Handarbeit beherrschen, wenn er die Qualität seines Mehles halten wollte.
Schönes weißes Mehl zu mahlen, das war die Spezialität von Adolf Luxembourger, der schon mit 16 Jahren Mühlenbesitzer wurde. Seine Großmutter vererbte ihm eine Mühle in Niedaltdorf an der deutsch-französischen Grenze. Drei Tage nach Kriegsausbruch wurde das Mühlengut jedoch niedergebrannt und Adolf Luxembourger musste sich eine neue Arbeit suchen, da er keine Entschädigung für den Verlust erhielt. Die Liebe verschlug ihn in die Pfalz und schließlich auf die Rosselmühle. Er heiratete kurz nach der Währungsreform Angela Huber, die vor rund 80 Jahren das Licht der Welt auf der Rosselmühle erblickte. 1875 hat Peter Huber aus Maßweiler und seine Ehefrau Charlotte Nohr aus Riedelberg, der Großvater der jetzt noch in der Mühle lebenden Enkelin, die Mühle ersteigert. Ab 1905 wurde die Mühle von den Eltern Michael und Theresia Huber bewirtschaftet. Die Müllersfrau brachte acht Kinder zur Welt, aber nur ein Sohn und die jüngste Tochter überlebten die schwierigen Kindheitstage in der Einsamkeit des Tales, wo eine ärztliche Versorgung fast unbekannt war. Nur wenige Tage vor Weihnachten wurde die heutige Mühlenbesitzerin von Pfarrer Poth aus Maßweiler auf dem Mühlengut getauft.
Arbeitslosigkeit und Geldentwertung waren das traurige Kapitel der ersten Kinderjahre. Noch genau erinnert sich die Müllerin an die Worte ihres Vaters, dass er 1923 zwei schlachtreife Ochsen verkauft habe, deren Erlös nicht mehr reichte, um die Hefe beim Kaufmann in Thaleischweiler zu bezahlen. Um die Jahre 1938 bis 1940 kostete ein Zentner Getreide elf Reichsmark und genau so viel kostete ein Paar Schuhe beim Schuster. Heute kosten Schuhe in vergleichbarer Qualität der damaligen Zeit 125 Mark. Der Bauer erhält für den Zentner Getreide nur noch rund zwölf Mark, berichtet Müllermeister Luxembourger nachdenklich. Ein Brot mit einem Gewicht von sechs Pfund kostete 95 Pfennig. Brachte die Bäuerin ihr Mehl zum Bäcker und ließ dann das Brot nur backen, so zahlte sie einen Backlohn von 24 Pfennig, erinnert sich Karl Ritter von der Wallhalber Mühle.
Es gehörte in diesen Kriegsjahren zur Normalität, dass der Backofen oft voller Lohnbackware war. Das Pfund Mehl kostete damals 20 bis 22 Pfennig. Ein Pfund Zucker, wenn es überhaupt welchen gab, musste mit 30 Pfennig bezahlt werden. Das Wassergeld für eine fünfköpfige Familie betrug im Jahr sieben Reichsmark, erzählt der frühere Einnehmer Gustav Kiefer aus Wallhalben. Für ein Glas Bier von 0,3 Liter verlangte der Wirt 23 Pfennig und das Glas Wein war mit 50 Pfennig bezahlt.


Wahre Knochenarbeit statt Mühlenromantik

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„Was das Tourismusbüro der Verbandsgemeinde Wallhalben heute mit dem Wort Mühlenromantik in seinen Prospekten zu einem touristischen Magneten entwickelt hat, das war für meine Urgroßväter und mich als Sohn einer alten Müllersfamilie schwerste Knochenarbeit", erzählt Karl Ritter von der  Wallhalber Mühle. Nichts hätte man damals bei einer knarrenden, wackelnden und äch- zenden Mühle mit dem Wort Mühlenromantik in Verbindung gebracht. Tag und Nacht habe sich das Mühlrad gedreht und einen so 
nicht selten noch im verdienten Schlaf gestört. Schließlich wohnte man noch in der  Mühle, wo sich der schwere Gang des Mühlrades über das Fachwerk in alle Räume des Hauses übertrug. Also von Mühlenromantik keine Spur, meint der Bäcker- und
Müllermeister im Blick zurück. 

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Anders war es bei der Rosselmühle, wo das Mühlengebäude ab 1838 für sich allein am Bachlauf steht. Aber auch dort war der
Tagesrhythmus des Müllers eine Schufterei. Angezogen auf Stühlen hat der Müller die Nacht beim Mahlwerk geschlafen oder
besser nur geruht. Sein Auftrag war rund 1 um die Uhr zu mahlen, denn dem Mühlrad
durfte keine Rast gegönnt werden, da sonst Walzenstube der Rosselmühle
der Bedarf der Mahlgäste nicht gedeckt werden konnte, berichtet die Müllerin. Sie wachte oft selbst mit, damit der Ehemann zumindest einige Stunden Schlaf hatte. In der sogenannten schlechten Zeit mahlten die Müller auch an den Sonntagen, was nicht ungefährlich war. Aber nur so konnte auch noch Mehl für die armen und bettelnden Leute bereitgehalten werden. So mancher Müller wurde schwer bestraft oder die Mühle gar geschlossen, wenn ihn das strenge Auge des Gesetzes überführte. Die Kontrolleure stellten durch die Veraschung fest, ob das Getreide so ausgemahlen wurde wie es vorgegeben war. Um bei Kontrollen nicht aufzufallen, hatte sein alter Meister immer zwei Säcke Mehl vorrätig, die genau nach der Norm gemahlen waren, die dann auch für die Entnahme der Proben dienten, erzählt Luxembourger. Es scheint, dass er diese Müllerlist nicht vergessen hat, was aber nicht zum Nachteil der Mahlgäste war.
Bei der Rosselmühle ließen die Bewohner von Maßweiler, Thaleischweiler, Höhfröschen, Herschberg, Gersbach und Reifenberg mahlen. Die Reifenberger lieferten den besten Weizen, was wohl mit dem schweren Lehmboden der Sickinger Höhe zusammenhänge. Die Korngröße stimmte dort, um ein gutes Mehl zu mahlen. An der Rosselmühle dreht sich das Wasserrad sechs Mal in der Minute und erbringt eine Leistung von 14 PS. Zur Wallhalber Mühle kamen die Mähler aus Harsberg, Zeselberg, Weselberg, Schmitshausen, Wallhalben, Saalstadt und Oberhausen. Bei der Wallhalber Mühle wurden in 24 Stunden 20 Zentner Getreide zu rund 15 Zentnern Brotmehl und 41/z Zentnern Kleie im Lohn vermahlen. Zur Mühle gehörte zeitweise eine Ölmühle, in der Raps und Kohl geschlagen wurden. Diese Ölmühle wurde von einem zweiten Mühlrad angetrieben. Das Wasser des zwei Kilometer langen Mühlgrabens aus dem Arnbachtal lieferte die notwendige Antriebskraft. Das Gefälle von 1,5 Metern reichte bei gutem Wasser, um mit dem 5,5 Meter hohen Wasserrad aus altem Eichenholz, die drei schweren Mühlsteine des Schäl-, Schrot- und Mahlganges zu drehen.


Die Müller spürten den Niedergang der Wirtschaft
Die Müller spürten schon früh, dass sich Hitler bei der Kriegsführung übernommen hatte. Die Grenze der Getreideausmahlung wurde nämlich auf 75 Prozent hochgesetzt, erinnert sich der Rosselmüller. Somit musste aus einem Zentner Getreide 70 Pfund Mehl und 25 Pfund Kleie herausgeholt werden. Die restlichen fünf Pfund waren Verlust durch Reinigung und Mahlen. Nach dem Krieg, als es noch mehr hungrige Bewohner gab, wurde es noch schlimmer, denn das Getreide musste sogar bis 96 Prozent ausgemahlen werden. Dies hatte zur Folge, dass keine Kleie mehr abgelassen wurde. Die Ernährung zu sichern war viel wichtiger geworden als schönes weißes'Mehl. Mehl in dieser Güte war weder für Kuchen noch zum Backen von Brot wirklich geeignet. Zum Kuchenbacken wurde Mehl sogar mit gekochten Grumbeeren vermischt, was den Kuchen wieder genießbar machte. Es waren schlimme Zeiten für die Müller, die ihr Handwerk gewissenhaft erlernt hatten, um Mehl von hoher Güte zu liefern.
Nach ihrer Neuerbauung um 1720 wurde die Rosselmühle auch Eselsmühle genannt. Es ist überliefert, dass nicht immer nur Mehl gemahlen wurde. Die Mühle war über einen längeren Zeitraum Knochenmühle und Hanfreibe. Bei diesem Mahlvorgang hat die Knochenstampfe den für die Landwirtschaft wertvollen Dünger, das Knochenmehl erzeugt. Nachdem die chemische Industrie den Markt mit Kunstdünger fast überschwemmte, wurde die Knochenmühle stillgelegt. Solange die Landwirtschaft der Sickinger Höhe zur Gewinnung deutscher Leinwand reichlich Hanf und Flachs pflanzen durfte, hatte die Hanfreibe vom Herbst bis in den Winter keinen Stillstand. Als nach und nach die großen Spinnereien und Webereien ausländischen Hanf und Flachs verarbeiteten, hatte auch für die Hanfreibe die letzte Stunde geschlagen. Die Mühlen gingen über Jahrhunderte mit der Entwicklung und dem menschlichen Bedarf. Mit der Nutzung moderner und viel leistungsstärkeren Energiequellen waren die Wassermühlen nicht mehr konkurrenzfähig.


Die Mühlen als Geldquelle des Herzogs
Viele Mühlen gab es im Herzogtum Zweibrücken, was dem Landesherren eine schöne Summe an Abgaben einbrachte. Der tatkräftige, von den Ideen des Merkantilismus beeinflusste Herzog Christian IV. von Pfalz Zweibrücken erließ 1743 ein Edikt, nach dem alle im Fürstentum vorhandenen Mühlen und „Wassergebäude" aufzunehmen wären. Eine Zählung ergab 56 Mahlmühlen, 15 Ohligmühlen, 8 Lohmühlen, 7 Sägemühlen, 4 Walkmühlen, eine Schleifmühle, eine Pulvermühle, eine Papiermühle, eine Achatmühle und eine Hammerschmiede.
Mit Adolf Luxembourger von der Rosselmühle, der in Kaiserslautern den Meisterbrief des Müllers ablegte, wird der Beruf des handwerklichen Müllers in der Pfalz aussterben. Schon vor 100 Jahren hat das Mühlensterben in der Pfalz seinen Anfang genommen. Mehlfabriken sind entstanden, die mit modernster Technik arbeiten und den Kleinstmühlen, die die Wasserkraft nutzten, die Lebensader abschnitten. Darum kann man gut verstehen, wenn der Müller im Wallhalbtal wehmütig wird, da die Zeiten vorbei sind, wo silbern der Mehlstaub in der Mühle lag. Einen ehrenhaften Beruf übten die Müller aus, weil sie das lebendige Korn zur kostbaren Speise umwandelten.
Quellen
Informationsschrift, Der Mühlenweg durchs Wallhalbtal; Heimatbuch der Verbandsgemeinde Wallhalben 1994; Erzählungen der Mühlenbesitzer.

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