Heimatlexikon Thaleischweiler-Fröschen – 1976- Zwei unvollendete Grenzsteine

Zwei unvollendete Grenzsteine

Heimatkalender für das Pirmasenser und Zweibrücker Land  1976 - Autor Albert Weis

Der Höhenzug, über den die Landstraße von Höheinöd nach Thaleischweiler führt, heißt „First", im Volksmund „Ferscht". Der höchste Teil ist die „buckelig Ferscht"; er wird in alten Urkunden auch die „überzwerche Ferscht" genannt. Ihr höchster Teil liegt 390 m hoch. Auf ihm standen früher weithin sichtbar zwei Steine und eine Eiche.
Einer dieser Steine war dem Augenschein nach sehr alt und von der Verwitterung sehr stark mitgenommen.
Thaleischweiler und Höheinöd besaßen früher nur einen gemeinsamen Bann. Als die Bevölkerung der beiden Orte nach dem 30jährigen Kriege immer mehr zunahm, kam es wegen des Wiedenstrichs auf den Willerungsfeldern der „überzwerchen Ferscht" um 1700 immer häufiger zu Streitigkeiten. Man verlangte auf beiden Seiten, um weiterem Zwist zu entgehen, daß eine Grenze gezogen werde, die die beiden Gemarkungen scheide. Die Untertanen zu Thaleischweiler wollten in dem alten Stein auf dem höchsten Punkt einen Grenzstein sehen, was aber die Untertanen von Höheinöd nicht anerkannten.
Thaleischweiler ganz, Höheinöd teilweise und das Land hier gehörten zum gemeinschaftlichen Besitz der Grafen von Hanau-Lichtenberg (Hessen-Darmstadt) und der Grafen von Leiningen-Daxburg-Heidesheim.. In ihrem Auftrag handelten die Amtsschaffner von Pirmasens und Wallhalben.
Schon 1692 führte der Amtsschaffner Schmitt von Pirmasens Erhebungen durch und hörte die Meinungen von verschiedenen alten Leuten in beiden Gemeinden über den Verlauf einer Banngrenze und auch über den oben genannten alten Stein. Dabei kam auch der seit 1683 auf dem Buchholzhof, nahe bei dieser Höhe, aber auf leiningischem Gebiet wohnende Schweizer Einwanderer Johann Georg Ludy zu Wort, der den Stein als einen gewöhnlichen Feldstein bezeichnete. Amtsschaffner Schmitt machte zu dieser Bekundung eine wenig schöne Bemerkung: „Soll dann ein hergeloffener Schweizer, der doch einem Buben gleich zu achten, mehr gelten, dann 80 und 90jährige Leute, die alle Gelegenheit wissen, auch an und um Eischweiler auferzogen worden und bei Gewissen behaupten wollen, daß dieser ein gültiger Bannstein seie, und kein Feldstein, der Augenschein ein solches klärlich geben wird."
Bei dieser Stellungnahme des Schaffners ist es selbstverständlich, daß der Stein um 1730 zum Grenzstein erklärt wurde und fernerhin die Banngrenze zwischen den beiden Orten kennzeichnete.
Daran änderte sich auch nichts, als sich die Höheinöder wehrten und einen Streit vom Zaune brachen. Amtsschaffner Schmitt ließ die Rädelsführer einsperren und belegte die Gemeinde mit einer Abteilung landgräflicher Soldaten. Nun gaben die Untertanen zu Einöd nach und hielten Frieden.
In Wirklichkeit hatte Ludy mit seiner Behauptung, daß .der alte Stein kein Grenzstein war, recht. Er war aber auch kein gewöhnlicher Feldstein, wie er behauptete.

Da er auf dem weithin sichtbaren Höhenpunkt stand und nach seinem Zustand zu urteilen, schon sehr alt war, steigt in uns die starke Vermutung auf, daß wir es mit einem Menhir oder einem Spillenstein zu tun haben, und daß sich hier eine alte Kultstätte befand. Solche Menhire stehen heute noch bei Blieskastel (der Gollenstein) und bei Rentrisch (die Krimhildenspille).
Der alte Stein ist nun schon seit einigen Jahrzehnten auf der "buckelichen Ferscht" verschwunden. Habgier und. Unwissenheit haben ihn beseitigt und uns, wie schon so oft auch an anderen Stellen, um ein altes Kulturdenkmal ärmer gemacht.
Der zweite Stein, von dem oben die Rede war, steht heute noch. Von unten nicht sichtbar, steht hinter dem Höhenrücken noch ein weiterer. Beide ragen 90 cm aus der Erde und sind viereckig zugehauen, bei einer Deckfläche von 35 cm zu 40 cm. Es sind also recht respektable Brocken.

 

Grenzstein1-1-400

 

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Das "L" bezeichnet die Grafschaft Lichtenberg sichtbar auf der Seite der Thaleischweilerer Gemarkung.

                         Grenzstein Nr. 27

"1791" in den Stein gemeiselt. Iin diesem Jahr wurden die Grenzen ausgesteint.

 

Treten wir näher an sie heran, können wir auf der einen Seite die laufenden Nummern,27 und 29, auf der anderen Seite die Jahreszahl 1791 lesen. Die gegen Höheinöd gerichtete Seite trägt keine Zeichen, die gegen Thaleischweiler gerichtete Seite zeigt links oben ein eingemeißeltes „L".
Der Unkundige steht hier vor einem Rätsel. Um es zu lösen, müssen wir in der Geschichte zurückgehen. Es wurde gesagt, daß wir uns hier auf dem Boden der sehr alten Gemeinschaft Thaleischweiler — Höheinöd befinden. Sie war im Besitz der Grafen von Hanau-Lichtenberg (Hessen-Darmstadt) und der Grafen von Leiningen-Daxburg-Hildesheim. 1789 beschlossen beide Grafenhäuser, die Gemein- schaft aufzuheben und die Ländereien zu teilen. So wurde die Gemarkungsgrenze auf der „buckelichen Ferscht" Landesgrenze..
Aber schon 1791/92 vertauschte Leiningen seinen Anteil gegen 1/4 von Hochspeyer und Frankenstein mit den Grafen von Sickingen. Damals sollte die Grenze ausgesteint werden; das sagt uns die in den Steinen eingehauene Jahreszahl 1791.
Gerade in dieser Zeit begannen die ' Wirren der französischen Revolution ihre Schatten über die Länder zu werfen, und französische Truppen drangen über die Grenze gegen Pirmasens vor.
Aus diesem Grund wurden unsere beiden Steine nicht vollendet und die weiteren links rund rechts von ihnen nicht gesetzt. Das „L" auf den stehenden Steinen (auf der gegen Thaleischweiler gerichteten Seite) bedeutet Lichtenberg. Es hehlt darunter nur das hanauische Wappen (zwei gebrochene Sparren). Auf der Höbemöder Seite aber fehlen die fünf Kugeln der Sickinger. Die Zeit und die Umstände hatten ein Vollendung der Steine unmöglich gemacht.
So war Thaleischweiler mit seiner Gemarkung hanauisch geworden. EBb6nöd aber blieb auch fernerhin geteilt. Der südwestlich von der Kirsclthomer Gasse und der Langgasse liegende Teil des Ortes sowie die Gemarkungen bis zur Grenze von Thaleischweiler waren sickingisch geworden. Der nordöstliche Teil des Ortes und die Gemarkung in dieser Richtung aber blieben nachwie vor
Auch unvollendete Grenzsteine können uns eine Menge von der Geschichte eines Landes lehren und Schicksale unserer enge'en Heimat aufhellen, selbst wenn die Grenze nie eine Bedeutung erlangte und bedeutende geschicl*licbe Ereignisse über sie wie auch über andere hinwegschritten, als wären sie nie gewesen.

 

 

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Der 2. Grenzstein mit dem "L" gekennzeichnet

                Auch hier die Jahreszahl 1791

Auf diesem Bild erkennt man unschwer den Standort neben der Landstraße Richtung Höheinöd. Im Hintergrund die Autobahnbrücke der A62.

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