Heimatkalender für das Pirmasenser und Zweibrücker Land von 1973 - heute
1974- Die Sankt-Cyriakus-Kapelle zu Meisenbach
Die Sankt-Cyriakus-Kapelle zu Meisenbach
Heimatkalender für das Pirmasenser und Zweibrücker Land 1974 - VON KARL GUTENSOHN
Rund tausend Autofahrer aus nah und fern, die Beifahrer und die übrigen Autoinsassen nicht mitgerechnet, haben von März bis Ende Mai 1973 im Rahmen des vom Allgemeinen Deutschen Automobilclub veranstalteten Heimatwettbewerbes die auf Seite 5 des Wettbewerbsheftes abgebildete und anonym beschriebene Kapellen-Ruine gesucht und sich bei der Kontrollstelle Nummer 5 des ADAC in der Gaststätte „Pfälzerhof" in Thaleischweiler die vorgeschriebene Kontrollmarke in das Wettbewerbsheft einkleben lassen. Tagtäglich kommen außer diesen Teilnehmern immer noch Autofahrer, wohl nicht als Wallfahrer, wie in alten Zeiten, aber doch in einem löblichen Wettbewerb, und bis zum Schlußtermin Ende September wird erfahrungsgemäß und wahrscheinlich eine Teilnehmerzahl bis zweitausend erreicht sein, ein Besucherstrom, wie er zur Blütezeit der Kapelle bei weitem nicht zu verzeichnen war. Damit wurde diese alte, ehrwürdige, aber leider dem völligen Zerfall preisgegebene und heute selbst in unserer näheren Umgebung wenig bekannte Kapellen-Ruine aus dem Dornröschenschlaf aufgeweckt und in das Rampenlicht einer breiten Öffentlichkeit gerückt. Sie war schon im frühen Mittelalter ein beachtenswerter religiöser Mittelpunkt des Westrichs, Kultstätte und „Wallfahrtsort" der näheren und weiteren Umgebung, erbaut etwa im dreizehnten Jahrhundert vom Kloster Hornbach und dem „Heiligen Märtyrer Cyriakus" (um das Jahr 300 in Rom) einem der 14 Nothelfer und Schutzpatron des Weinbaues geweiht. Die Wege dahin waren damals beschwerlicher wie heutzutage mit dem Auto. Man kam wohl zu Fuß, zu Roß und Wagen, einzeln und in Gruppen,. um dem Nöthelfer Cyriakus seine Nöte des täglichen Lebens darzulegen und ihn im Gebet um Fürsprache zur göttlichen Hilfe zu bitten. Man kam aber auch, wie der Chronist vermeldet, am Pfingstmontag und am St. Cyriakustag, dem B. August, prozessionsweise mit Fahnen, auch aus dem „Zweibrückischen" und aus dem „Sickingischen".
Die Kapellenruine liegt im Gemeindebereich der aus den Dörfern, bzw. ehemaligen Gemeinden Thalfröschen und Thaleischweiler mit Wirkung vom B. Juni 1969 neugebildeten Großgemeinde Thaleischweiler-Fröschen, an einer leicht ansteigenden Berglehne des Brückenberges, südlich der Eisenbahnlinie Pirmasens-Nord-Zweibrücken, inmitten eines mit einer starken Mauer umwehrten, im Jahre 1905 aufgelassenen Friedhofs, verdeckt mit Gestrüpp und hohen Bäumen, etwa 1 Kilometer (lt. Wanderkarte 1250 Schritte) westlich des Ortsausganges von Thalfröschen und ist auf einem sauberen, betonierten Wirtschaftsweg zu erreichen.
An den noch vorhandenen Ruinen ist der Baustil der Kapelle als gotisch zu erkennen. Der Eingang war im Norden, wo noch eine Tür mit Spitzbogenwölbung gut erhalten ist. In der Nordfassade sieht man auch noch Teile gotischer Fenster. Das Chor lag im Osten; die Grundmauern des Chorraumes sind noch vorhanden. Vom Schiff aus führte ein Rundbogen in den rechteckigen Turm, der im Westen das Kirchlein flankierte. In der Nordwand befindet sich eine kleine, kreisrunde Öffnung mit schrägem Gewände, aus einem Quader gehauen, in einer rechteckigen Wandnische, in Art eines romanischen oculus, (Lateinisch Auge) im Volksmund irrtümlich als „Beichtloch" bezeichnet. Es handelt sich aber wohl eher um eine Öffnung zur Aufstellung einer Totenleuchte zum Friedhof hin. Das Innere war mit einem hölzernen Bild des Heiligen Cyriakus geschmückt. Rings in die Wände waren Broncereliefs in regelmäßigen Abständen eingelassen. Sie stellten Szenen aus der heiligen Schrift dar. Ein solches Reliefbild ist uns dadurch erhalten geblieben, daß es mit Steinen der Kapelle in ein Haus in Thalfröschen eingebaut worden ist. Es stellt das Wunder der Elisa mit den Ölkrügen der Witwe dar und trägt die Unterschrift: „Im 2. BVCH DER KÖNIGE AM 4. Cap". Im Jahre 511 waren die Alemannen bis südlich Straßburg verdrängt. Von diesem Jahre an datiert der Beginn der Frankenherrschaft.
In diese Zeit fällt auch der Ursprung des „uralten" Dorfes Meisenbach (früher auch Meisinbach, Maysenbach, Maisebach), das viel älter ist als die mit ihm verbundene Kapelle. Eine Menge heute noch bestehender Flurnamen weist auf die Größe und Bedeutung dieser Siedlung hin:
„Meisenbacher Wald", „ober und unter der Meisenbach", „unter den drei Brunnen", „Hinter der Meisenbacher Dell", „Im Meisenbacher Tälchen", „Meisenbacher Äcker". Das Dorf Meisenbach, in dessen Bereich die Kapelle errichtet wurde, ist die älteste fränkische Siedlung unserer Gegend. Nach Biundo wird als Gründungsjahr 520 angenommen. Was den Namen selbst angeht, so gibt sich die Silbe „bach" leicht als fränkisches Grundwort zu erkennen. Der erste Teil „meisen" entspricht dem althochdeutschen „Mios" dem mittelhochdeutschen „mies" und bedeutet Sumpf. So würde also Meisenbach einen sumpfig fließenden Bach, bzw. eine Ansiedlung an einem solchen Bach bedeuten. Gemeint ist natürlich der Schwarzbach, früher auch Erbach genannt.
Und so verstrichen Jahre, Jahrzehnte und noch längere Zeiträume, ohne daß die bekannten historischen Quellen über das Dorf Meisenbach und seine Kapelle etwas aussagten. Erst wieder aus dem 16. und 17. Jahrhundert ist bekannt:
Graf Philipp V. von Hanau veröffentlichte 1572 eine lutherische Kirchenordnung.
Jedenfalls bestand eine lutherische Pfarrei mit ihrer St. Margarethenkirche in. Eischweiler und 1567 gehörten zu dieser Pfarrei Eischweiler, Einöd, Fröschen und Herschberg. Das war alles, was von den 13 Pfarrorten der katholischen Zeit übrig geblieben war.
Meisenbach hatte zu jener Zeit seine Eigenschaft als Filiale verloren und war so unbedeutend geworden, daß es gar nicht mehr als Ort genannt wurde. Seine Kapelle war schon 1579 halb zerstört. Die Tragik in der Betreuung und in der Erhaltung der einst so schmucken Cyriakus-Kapelle bestand in dem endlosen und verhängnisvollen Streit um die Eigentums- und Besitzverhältnisse der Kapelle zwischen Katholiken -und Lutheranern, der sich bis in die 20er Jahre des 18. Jahrhunderts hinzog.
Eine neue Periode begann durch die französische Reunion auch für die Meisenbacher Kapelle. Amtsschaffner Fleischmann in Pirmasens berichtet 1717 über die Kapelle folgendes: „Vor den Reunionen sei die Kapelle von keinem Geistlichen bedient worden, es war vielmehr eine Wildnis, daß man kaum noch den Kirchturm sehen konnte. Die Kapelle sei Tag und Nacht offen geblieben und es käme dahin zu beten und zu opfern, wer wolle. Die Opfer sollen die armen Leut abgeholt haben. Gleich zu Beginn der Reunionen wäre die Kapelle nach dem Befehl des Bischofs von Metz durch katholische Geistliche vom selben Bistum, teils von Herrn Karl Royer von Zweibrücken, teils von Homburg, Hornbach und Rodalben versehen worden, bis sie dem jeweiligen Geistlichen von Nünschweiler anvertraut wurde. Auf den Pfingstmontag und am St. Cyriakustag, den B. August, ging man jährlich prozessionsweise dahin mit Fahnen, teils aus dem Zweibrückischen, allwo sich unterschiedlicher Herrschaften Untertanen versammelten, teilweise auch aus dem sickingischen, gleichfalls mit Fahnen." Das alles geschah, obwohl die Buchsweiler Regierung unterm 2. Juli 1693 die Kapelle für lutherisch erklärte, da im Normaljahr 1624 die Lutheraner im Besitz der Kapelle gestanden hätten. Jedoch zur Befriedigung der gesteigerten religiösen Bedürfnisse der Katholiken ließ sich sogar ein Pater bei der Kapelle nieder. Unterm 11. April 1698 berichtete der Amtsschaffner Schmidt von Pirmasens nach Buchsweiler, verwichene Woche sei der Pater von Meisenbach abgezogen, daraufhin hätten zwei lutherische Untertanen allsogleich Possession bezogen.
In der Chamoyschen Liste, welche die in der berüchtigten (Biundo) „Ryswicker" Klausel vorbehaltene freie katholische Religionsausübung für 29 Orte auf nicht weniger als 1 922 ausdehnte, wird über Meisenbach gesagt:
„La Chapelle du dit heu par les Catholiques seuls".
zu Deutsch: „Die Kapelle des besagten Ortes gehört in den alleinigen Besitz der Katholiken".
„Ryswick/Rijswijk": Niederländische Stadt in der Provinz Südholland, südlich von Den Haag. Der Friede von Rijswijk 1697 zwischen Frankreich einerseits, den Niederlanden, Großbritannien und Spanien (20. IX.). sowie Kaiser und Reich (30. X.) anderseits, beendete den pfälzischen Erbfolgekrieg. Frankreich gab alle im Krieg und als Reunion weggenommenen Gebiete (außer dem Elsaß mit Straßburg und Landau) zurück und setzte die sogenannte oben erwähnte „Ryswicker Klausel" durch.
Auf Grund dieser Liste ergriff nun der katholische Pfarrer von Nünschweiler, Esmangart Bournonville, Besitz von der Kapelle. Er ließ 1701 die Schlösser am Opferstock der Kapelle abschlagen und das Geld wegnehmen, bis auf ein Memorial des Wilhelm Ludy, „Untertan im Meisenbacher Hof", woselbst die Regierung in Buchsweiler die Weisung gab, die Opferstöcke täglich wegzunehmen und den Inhalt dem Kirchschaffner abzuliefern.
Seit dem Westfälischen Frieden, der allen Konfessionen Gleichberechtigung verlieh, ließen sich auch Katholiken und Reformierte im Orte Eischweiler nieder. Da besannen sich auch wieder die Lutheraner in Fröschen auf ihre alten Rechte und Pfarrer Helmstetter hielt 1724 zweimal im Anschluß an Beerdigungen Gottesdienst in der Meisenbacher Kapelle. Dadurch wurden die Katholiken von Nünschweiler veranlaßt, das alte Cyriakusbild heimlich aus der Kapelle fortzuschaffen. Das taten sie denn auch 1728 auf Veranlassung ihres Pfarrers Royer und stellten das Heiligenbild unter einem Bogen ihrer Kirche in Nünschweiler auf.
Aber schon 1732 benutzten die Bewohner des Meisenbacher Hofes die Kapelle als Stallung. Die Kapelle selbst, wohl von Katholiken der Umgebung wieder notdürftig hergestellt, diente noch als Wallfahrtsort für das benachbarte Sickingen, bis diese Wallfahrten 1750 auf nachdrückliche Beschwerden der Hanauer Grafen eingestellt wurden. 1739 baten zwar die Katholiken noch einmal, das zerfallene Gotteshaus zu Meisenbach wieder aufbauen zu dürfen. Diese Bitte wurde ihnen aber von der Regierung abgeschlagen.
Das war wohl eine Fehlentscheidung und damit war leider der Zerfall der einst so schönen Kapelle unaufhaltsam geworden. Und so grüßen uns heute von der Meisenbach nur noch die kärglichen Überreste eines Jahrhunderte alten verehrungswürdigen Kirchleins.
Aber dessen war bedauerlicherweise noch nicht genug. Was der Zahn der Zeit durch Wind und Wetter, Schnee und Eis nicht vermochte, das haben Rowdys wiederholt und fortwährend in sinnloser Zerstörungswut vollendet. Das anerkennenswerte und auch erfolgreiche Bemühen der früheren Gemeinde Thalfröschen und ihres Altbürgermeisters Albert Schoch in den fünfziger Jahren, Kapelle und Friedhof wieder in einen würdigen Zustand zu versetzen, nur mit Gemeindemitteln und ohne öffentliche Zuschüsse, war leider vergebens und wurde wieder von Rohlingen zu schanden gemacht. Nicht ein einziges Grabmal wurde verschont. Alle Steine, darunter Grabmale von beachtenswerter Steinmetzkunst, wurden umgeworfen, teilweise zertrümmert, die Grabumrandungen aus ihren Verankerungen gerissen und auch die Kapelle wieder schwer beschädigt.
Heutiger Eigentümer des aufgelassenen Friedhofs und der Kapelle mit der Flurstücksnummer 416 und einer Grundfläche von 1160 qm ist die politische Gemeinde Thaleischweiler-Fröschen. Der Grundbucheintrag lautet irrtümlicherweise „Ruine Kloster Meisenbach". An dieser Stelle befand sich niemals ein Kloster, sondern nur eine Kapelle, die vom Kloster Hornbach erbaut worden war. Eine Grundbuch- berichtigung wäre am Platze. Ob der heutige Eigentümer mit arbeitswilligen und opferfreudigen Bürgern nicht noch einmal einen Versuch unternehmen wollte, die Kapelle vor ihrem völligen Untergang zu retten? Dies wäre erwünscht und erstrebenswert.
übrigens: In der Gemeinde Lindenberg bei Lamprecht in der Vorderpfalz, auf dem Berge hoch oben über den Häusern des Dorfes, steht eine Kapelle gleichen Namens wie in der Meisenbach (Cyriakus). Diese Kapelle steht im Eigentum der katholischen Kirchengemeinde, hat die Jahrhunderte überdauert, befindet sich in einem sehr guten Zustand, dient heute immer noch religiösen Zwecken und am B. August, dem Cyriakustag, wird ein Fest begangen zu Ehren des Heiligen als „Schutzpatron des Weinbaues". Dann kommen über die Berge auch die benachbarten Winzer von der Haardt aus den Weinorten Gimmeldingen, Königsbach, Niederkirchen usw. zur Kapelle nach Lindenberg. Alljährlich werden Weintrauben der ersten Ernte als Gaben hierher gebracht.
Sollte gar der M. Cyriakus, und das wäre nicht zu verwundern, auch einmal der Schutzpatron des „westpfälzischen Weinbaues" gewesen sein? Ich wiederhole, des westpfälzischen Weinbaues. Ich habe mich nicht geirrt, denn in älterer Zeit war ein Teil des Landkreises Pirmasens und der ganze Landkreis Zweibrücken bis tief ins Saarland hinein ein beachtliches Weinbaugebiet. Darüber mehr und näheres im nächsten Heimatkalender.
Quellen:
1. Biundo: „Geschichte Thaleischweilers und seiner Umgebung". S. 7, 8, 13, 15, 28, 36, 51.
2. Eckardt/Kubach: „Die Kunstdenkmäler der Stadt und des Landkreises Pirmasens" S. 317,
318, 319, 320.
3. Christmann: „Über die Geschichte von Thaleischweiler". Pirmasenser Heimatblätter vom Wasgau bis Westrich, Nr. 8 v. 3. IV. 1958.
4. Christmann: „Die Verbreitung des Weinbaues in der Pfalz". Pfälzer Heimat 1951, Heft 1.
5. v. Bassermann-Jordan: „Weinbau in der Pfalz im Altertum". 1947, Historisches Museum der Pfalz, Speyer.
6. Colet/Faistenberger: „Lexikon für Theologie und Kirche - 1959 — S. 118,119.
7. Lexikon/Der Neue Herder: 5. Band, S. 410.
1974- Der Hundsfritz
Der Hunde-Friedrich, genannt „Hundsfritz"
Heimatkalender für das Pirmasenser und Zweibrücker Land 1974 - VON ALBERT LENHART
Hier weitere Informationen zum Hundsfritz - hier clicken!!
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Die Sickingerhöhe ist um einen besonders eigenartig geprägten Menschen ärmer, seit F r i e d r i c h W e i ß am 24. März 1956 auf dem St. Josephshof bei Annweiler verstorben ist. Schon fast ein Jahr stand seine Behausung im oberen Schauerbachtal leer und nur wenige wußten um seine neue Heimat zwischen Trifels und Lindelbrunn. Mancher Brief erreichte ihn dort, noch mehr Pakete kamen an. Aber niemals hat ein Lebenszeichen die mancherlei Freunde dieses besonderen Naturmenschen erreicht.
Vielleicht war das Köstlichste an ihm, daß er sich, die Dinge und die Menschen, nicht sehr wichtig nahm. Aus dieser Einstellung heraus ist er in eine Lebensform hineingewachsen, die ihm trotz ihres abstoßenden Äußeren Respekt und Vertrauen, ja Hochachtung und Bewunderung eingetragen hat. Wer mit der Todesnachricht durch die Dörfer der Sickingerhöhe schritt und den Höhleuten ihre Bekenntnisse abfing, der merkte nicht nur dies, er wurde auch Zeuge der eigenartigen Wahrnehmung, daß der Hingang eines guten Menschen immer noch ergriffen macht.
Wo beides, der gute Mensch und die abartige Lebensform sich begegnen, wird stets das Interesse des Durchschnittsbürgers wach. Es hat Friedrichs Bild in Zeitungen
und Illustrierten, auf Tabakpackungen und im amerikanischen Film hinausgezerrt in die weite Weltöffentlichkeit und zu der Schar der vielen Freunde immer neue geworben.
Ihn selbst hat solches Beginnen nie besonders interessiert. Die kleinen Abfindungen halfen ein paar kleine Wünsche zu erfüllen und darüber hinaus war ja stets für das Nötigste gesorgt — im Fleisch geschlachteter Hunde, durch einen kleinen Handel mit solchen und schließlich, wenn ihn wirklich eine Not plagte, durch die Möglichkeit, bei Schuhfabrikanten, Apothekern und ähnlichen Bekannten, sich eine Bitte erfüllen zu lassen. So lebte er buchstäblich in den Tag hinein, vielleicht im Sinne des Schriftwortes: „Macht euch um nichts Sorge!" -
„An den Hunde-Friedrich, Sickingerhöhe" pflegte zuweilen auf einem Brief zu stehen. Immer fand er zu dem graubärtigen, hochgewachsenen Einsiedler in dem romantischen Waldtal beim Dorfe Schauerberg. Selten ist er über den Bereich des ,. Städtedreiecks Pirmasens-Zweibrücken-Kaiserslautern hinausgekommen. In oft arg heruntergekommener Kleidung (er trug nur geschenkte Kleider), einen zusammengewickelten Sack umgebunden, mit Knotenstock und einem nebenherlaufenden Hund, so zog er durch die Dörfer der Höhe, von einem fürchterlichen Gebell schon am Eingang des Dorfes begrüßt. War es Freundschaft, war es Todesfurcht, die alle Dorfhunde auf solche Art sein Kommen melden ließ?
„Ach, der Hundsfritz" pflegte dann jedes nach einem Blick zur Straße zu sagen und fast jeder mochte dann ein gutes Wort mit ihm tauschen. Dabei wurden ihm abgängige Hunde verraten, die man ihm kostenlos überließ. Waren sie jung, schlüpften sie in den Sack; mancher fand schon im übernächsten Dorf seinen Herrn. Etliche auch durften sich in seinem Zuhause noch tüchtig herausmästen, bis sie nach einigen Wochen ein gutes Brätchen abgaben.
Trotz dieser widerwärtigen Lebensweise war Weiß kein gewissenloser Schlächter - er war der Freund der Hunde wie anderer Tiere und besaß ein Geheimnis, sie sich gefügig zu machen und anzuheimeln. Auf jeder Polizeistation wußte man dies und rechnete ihm sein Hundeschlachten nicht als Delikt an. Ein jeder kannte Fritzens Redlichkeit und nie hat jemand, ob Kind, ob Frau, in seiner Waldtalklause etwas zu befürchten gehabt. Das Holz des Waldes war vor ihm ebenso sicher wie jedes sonstige fremde Eigentum. Keine Bauersfrau hat ihm je ein Brot verweigert, wenn er sie versteckterweise darum bat. Streit kannte er nicht. Wie alles, war ihm auch seine Behausung geschenkt. Ehemals wurden dort Knochen zu Dung gemahlen. Beim Verkauf des Besitzes sicherte ein eigner Vermerk dem Hundsfritz die lebenslange Nutzung der schon fast baufälligen Hütte zu. Ihr Inneres war alles andere als appetitlich, rußgeschwärzt, von nicht sehr angenehmen Düften durchzogen. Im Raum zur Linken befand sich unter Fellen und Decken seine Liegestatt, dahinter kläfften die Hunde. Hinter dem Laden zur Rechten trockneten die Felle, stand in Flaschen das Hundefett für Apotheker bereit. In diesem Zuhause verlebte Fritz 45 Jahre. In allen Geheimnissen der Natur, des Tier- und Pflanzenlebens kundig, ist er fast selbst ein Stück Natur geworden. Er wußte über den Fischötter ebenso gut Bescheid wie über Aussehen und Gesang der ihn täglich weckenden Waldvögel.
Zeit und die für uns daran gebundenen Notwendigkeiten waren für Friedrich Weiß ungewohnte Belastungen: er lebte zeitlos. Schlug ihm der Alkohol in den Brennhäusern der Höhendörf er ein Schnippchen, dann pflegte er auch darin zu schlafen. Niemand befürchtete, das etwas verschwinden könne.
Die volle Schnapsflasche war — dies sei eingestanden — ihm gut Freund. Und wieviele Male wurde sie aus angeblicher Freundschaft gefüllt! Aber trotz aller Umnebelung konnte er gerade dann aus einer sehr klaren Charaktereinstellung heraus, unangenehme Wahrheiten sagen, womit er sonst jedermann verschonte. Einen religiös Abgestandenen der über seine Kirche loszog, machte er mit der Bemerkung mundtot, wenn noch Millionen von seiner Sorte kämen und ihr Hundegeschäft gegen ihre Kirche verrichteten, ginge sie immer noch nicht unter. Und dabei war er andern Bekenntnisses, das er freilich nicht praktizierte.
Wollte einer wissen, was diesen Menschen in die Einsamkeit und die absonderlichste Lebensform hineintrieb, ihm könnte man nur dies Wenige mitteilen:
Friedrich Weiß stammt aus angesehener, begüterter Bauernfamilie in Saalstadt. Wegen seiner stattlichen Erscheinung wurde er für das Lehrbataillon des kaiserlichen Leibregiments in Berlin ausgehoben. Spätere Bilder zeigen ihn als , strammen Militärkoch in Zweibrücken. Nach der Entlassung widerfuhr ihm auf der Brebacher Hütte das Mißgeschick, von flüssigem Eisen verbrannt zu werden. Die dabei erlittene Schädigung soll zur Lösung eines Verhältnisses geführt und Weiß bestimmt haben, Junggeselle zu bleiben.
Viele rätseln bei Erinnerungsgesprächen an des Hundefriedrich Leben herum, um den Schlüssel zu seiner Absonderlichkeit zu finden. Erlebnisse und Begebnisse werden noch einmal aufgefrischt. Viele, denen er in schwerer Zeit mit seinen Lebensmittelkarten geholfen, wollten noch ein letztes Mal sein Zuhause sehen, bevor es dem Abriß verfiel. Der und jener wird still und nachdenklich, wenn man ihm die Stätte seines Wohnens zeigt. Es sollte mich dann nicht wundern, wenn er auf ihrem Heimweg wie aus der Erde gewachsen vor ihnen steht und drüben vom Talrand mit seinem Knotenstock herüberwinkt, als wollte er sagen: „Ich pfeif noch immer auf alles — und habs jetzt gut."
1975- Ein Mann kehrt heim...
Ein Mann kehrt heim...
Heimatkalender für das Pirmasenser und Zweibrücker Land 1975 - VON HEINZ A. ECKERT
Mit dem Wiederaufschwung der Wirtschaft in den Nachkriegsjahren verblaßte auch die Erinnerung an die Nöte und Sorgen der Vergangenheit und damit auch die Tatsache, daß sich bei den ehemaligen Siegermächten immer noch deutsche Kriegsgefangene im Gewahrsam befanden, die gewissermaßen als sichtbares Faustpfand eines trügerischen Sieges angesehen wurden. Doch Jahr um Jahr setzte sich auch hier der Geist des Verständnisses durch. Man erkannte die Notwendigkeit eines friedlichen Nebeneinanderlebens der Völker und das Häuflein derer, die immer noch fern der Heimat auf ihre Freiheit warteten, wurde immer kleiner. Im Jahre 1956 schmolz auch die Zahl der Gefangenen im alten Benediktinerkloster von Looslez-Lille, von wo aus einst Bernhard von Clairvaux seine flammenden Aufrufe zur Befreiung des H. Grabes erlassen hatte, immer mehr zusammen.
Wir waren in dem alten Kloster gut untergebracht; außer der wirklichen Freiheit fehlte es uns an nichts. Zu dem Wachpersonal, das den Sinn unserer fortwährenden Gefangenschaft ebensowenig wie wir selbst begreifen konnte, hatten wir mit den Jahren ein freundschaftliches Verhältnis gefunden: So war die Zahl derer, die hier noch im. „Wartesaal zur Freiheit" auf ihre Heimkehr warteten, auf 28 Mann gesunken. Mit Pedanterie, aber auch mit automatischer Sicherheit konnte man damit rechnen, daß auch dem Letzten aus dieser Schicksalsgemeinschaft bald die Glocke zur Freiheit schlagen würde. Am 31. August 1956 war es dann soweit. In den Morgenstunden wurde ich von einem freundlichen Unteroffizier zum Kommandanten gerufen, der mir die Hand schüttelte und erklärte: „Sie sind frei, Sie dürfen sofort in die Heimat zurückkehren." Ein mir befreundeter Adjutant-Major sorgte dafür, daß meine Frau sofort telegraphisch von meinem Eintreffen in Kehl benachrichtigt wurde.
Zu hart waren jedoch die zurückliegenden Jahre der Entbehrungen und der Bedrängnis gewesen, als daß jetzt bei mir schon eine richtige Freude in meinem Innern hätte aufkommen können. Mechanisch ließ ich die rituellen Formalitäten meiner Entlassung über mich ergehen. Heute war ich noch ein stellvertretendes Faustpfand für den verlorenen Krieg unseres Volkes und morgen sollte ich schon ein freier Mann sein ... Plötzlich jedoch kam es über mich. Ich war frei, konnte mich wieder als Mensch unter Menschen bewegen und war auf dem Wege zurück in die Heimat, in das kleine stille Dorf am Schwarzbach, mitten in einem Land von .ewig grünen Bergen und Wäldern, wo meine Frau seit 10 Jahren in unerschütterlicher Treue auf mich wartete ... Langsam kam in mir ein immer stärker werdendes Gefühl des Glücks und der Zufriedenheit auf und zugleich auch die Genugtuung, daß all diese Jahre der Unfreiheit einen Sinn gehabt hatten. Ich hatte aber die Unfreiheit dem Verrat an meiner Heimat vorgezogen, um schließlich dank der unerschütterlichen Treue und des fortwährenden Beistandes meiner Frau moralisch unbelastet und mit gutem Gewissen den wirklichen Weg in die Freiheit antreten zu dürfen. Wie froh war ich jetzt, daß ich nicht wie manche meiner früheren Kameraden den gleisenden Versprechungen unserer ehemaligen. Gegner erlegen und zu ihnen übergelaufen war. Ich erinnere mich noch genau der Worte eines hohen Offiziers, der meine Frau ersucht hatte, mich zu „bearbeiten", um für die Trikolore weiterzukämpfen. „Sagen Sie Ihrem Mann, er solle so, wie er während des Krieges gegen uns gearbeitet hat, nunmehr mit uns zusammenarbeiten und er wird sofort, frei". Ohne zu überlegen antwortete meine Frau schlicht und einfach: „Wenn es noch 20 Jahre dauern sollte, bis mein Mann nach Hause darf, dann werde ich eben auf ihn warten-. Und wenn er dann heimkommt und wir nichts mehr haben, dann werden wir eben für die Bauern Mist aufs Feld fahren, aber unsere Heimat verraten wir nicht". Diese Worte hatten den hohen Herrn sehr beeindruckt, er unterließ fortan weitere Bemühungen, uns irgendwie umzustimmen. Allerdings tat er auch nichts mehr, um meine Entlassung zu fördern, ich wurde gewissermaßen „auf Eis" gelegt.
Schließlich hatte sich unser Warten doch gelohnt, am 31. August 1956 bestieg ich im Hauptbahnhof Lille, in einem amerikanischen Trenchcoat gekleidet, mit einem US-Seesack den Nachtexpress Calais-Straßburg-Kehl. Im Zug traf ich einige amerikanische Soldaten, die wie ich ebenfalls den US-Trenchcoat trugen und ihren Seesack bei sich hatten. Die beiden Herren der „Sürete Nationale", die mich als meine „Schatten" bis nach Kehl zu begleiten hatten, begingen jedoch den Fehler, mich zu den Amerikanern zu zählen. Während der Reise wurden sie immer aufgeregter und suchten mich in allen Abteilen des Zuges, ohne mich zu erkennen. Mir fiel wohl das nervöse Gebaren der Geheimdienstleute auf, ich hatte jedoch von niemand Anweisungen erhalten, mich ihnen unterwegs zu erkennen zu geben.
Beim Einrollen des Zuges in den Grenzbahnhof Kehl war die Hölle los. Ich hatte sofort meine Frau erkannt, die 10 rote Rosen — als Sinnbild -für die 10 langen Jahre meiner Unfreiheit — in Händen hielt und nicht wußte, was sich hier abspielte. Die französische Geheimpolizei :'hatte den Bahnsteig hermetisch abgeriegelt und begann, jeden Waggon nochmals nach mir zu durchsuchen. Nach dem französischen Sprichwort: „Cela ne sont pas les oeufs de mes poules" (das sind nicht die Eier meiner Hühner) mischte ich mich nicht ein, warf meinen Seesack auf den Bahnsteig, sprang mit einem Satz nach und warf mich glücklich in die Arme meiner Frau, wobei wir uns der Tränen des Glücks nicht schämten. Hilfsbereite Bahnbeamte brachten mein Gepäck und uns gleich weg, ich meldete mich bei der deutschen Grenzpolizei in die Heimat zurück. Der Kripobeamte stutzte einen Augenblick, dann erkannten wir uns wieder, denn bis vor 4 Monaten hatten wir noch beide in der stillen alten Abtei in Loos-lez-Lille gesessen. Erst vor einigen Wochen hatte er seinen Dienst bei der Grenzpolizei wieder aufgenommen. Vön ihm erfuhr ich, daß der ganze Wirbel um den einlaufenden Zug mir gegolten hatte. Die „Sürete". hatte angenommen, ich sei nicht aus Frankreich ausgereist, weshalb man eine Großfahndung nach mir veranlaßt habe. Dem Rat eines Kameraden folgend begab ich mich sofort in das Büro der französischen Geheimpolizei im Bahnhof Kehl und klärte die beiden nervös gewordenen Herren über ihren Irrtum auf. Sie waren sichtbar erleichtert und bliesen sofort ihre Fahndung ab. Wir unterhielten uns noch eine Zeitlang in freundschaftlicher Weise und bald hatten meine Frau und ich diese letzten Aufregungen auf dem Weg in die Freiheit vergessen. Am nächsten Vormittag wurde ich ordnungsgemäß aus dem Kriegsgefangenenlager entlassen, wobei mich der erste Willkommensgruß der Bundesregierung, der mir zuteil wurde, tief beeindruckte. Ich war also in der Heimat willkommen und diese Empfangsgeste gab mir die Gewißheit, wieder ein freier Bürger unseres Landes zu sein. Meine Frau und ich machte uns dann ohne weitere Verzögerung . auf die Fahrt nach unserer schönen Pfalz. Nach einem Bummel durch Karlsruhe fragten wir nach dem Zuge in die Pfalz. Der. freundliche Bahnbeamte lächelte und meinte: „Den können Sie gar nicht verfehlen. In dem Zug, in dem sich die Leute am lautesten unterhalten, sitzen die Pfälzer". Der Mann hatte Recht, es war unmöglich, den Zug, der uns bei untergehender Abendsonne in die Heimat bringen sollte, zu verfehlen. Wortlos sah ich aus dem Fenster. Die Silhouette der Pfälzer Berge mit ihren reifenden Reben schob sich näher, ich schämte mich nicht der Tränen, die unwillkürlich über meine Wangen rollten. Während der Fahrt von Landau über Godramstein gegen Annweiler mit seinem markanten Trifels wurde mir immer wärmer und freier ums Herz. Ich hielt wortlos die Hände meiner lieben Frau, weil ich immer noch fürchtete, daß dies alles nur ein schöner Traum sei, von dem ich plötzlich jäh erwachen würde. Und doch war es eine wunderbare Wahrheit. Gegen 21.00 Uhr, nach Einbruch der Dunkelheit, passierten wir die Sperre am Bahnhof unseres Schwarzbachdörfchens, still und unerkannt kamen wir zu Hause an. Schon am nächsten Morgen fing ich an, mich an das neue Leben zu gewöhnen, wenn ich durch die Straßen unseres Heimatdorfes ging. Die Hilfe der örtlichen und naheliegenden Behörden und das große Entgegenkommen, das ich überall fand, gaben mir bald die Möglichkeit, die Zeit der Entbehrungen und der Not, die hinter mir lag, zu vergessen. Die Landesregierung Rheinland-Pfalz hatte uns seit ihrem Bestehen in rührender Weise betreut und ich habe auch heute noch den Willkommensgruß unseres damaligen Ministerpräsidenten Dr. Altmeier in Erinnerung, der mir durch seinen Beauftragten einen Korb mit edlen Weinen überbringen ließ.
Durch die aufopfernde Fürsorge meiner Frau und die verständnisvolle Betreuung der Gesundheitsbehörden war es mir schon nach wenigen Monaten möglich, meinen früheren Beruf aufzunehmen, der mich bald wieder als freier Mensch in fremde Länder führte. Doch immer wieder war ich froh, wenn ich so schnell wie möglich in unser stilles Dörfchen zurückkehren konnte, denn seit den langen Jahren des Fernseins von unserem schönen Pfälzerland ist mir die Bedeutung des Spruchs: „Wer die Fremde kennt, lernt die Heimat lieben" zu einem immerwährenden Leitspruch geworden. Viele Jahre sind seitdem vergangen und_ die Menschen aller Nationen haben damit begonnen, sich besser zu verstehen. Möge der Geist dieses Verstehens beitragen, den Frieden zu erhalten, damit unsere Kinder und Kindeskinder einer glücklicheren Zukunft entgegengehen können.
2000- De Fauschde Lui, eh echder Äschwillrer Bu!
2000- "De Fauschde Lu,i eh echer Äschwillrer Bu"
Heimatkalender für das Pirmasenser und Zweibrücker Land - 2000 - Von Oskar Utzinger
Dieser Artikel wurde im Heimatkalender 2000 veröffentlicht. Leider habe ich hierzu (nach Anfrage) keine Genehmigung zur Veröffentlichung erhalten.
- 1997- "Mach es wie die Sonnenuhr...
- 1989- Die Realteilung
- 1989- Die Pfälzische Bauern- und Winzerwirtschaft
- 1993-Der Landgraf ließ dem Grafen die Wiese abmähen
- 1991- Der Friedhof in der Meisenbach
- 1988- Schonenbach
- 1987 -750 Jahre Thaleischweiler
- 1987- Das Steinenschloß
- 1983- Streitigkeiten zwischen Leiningen und Hanau Lichtenberg
- 2002- Die Rossellmühle