Heimatkalender für das Pirmasenser und Zweibrücker Land von 1973 - heute
1974- Schlusssrich unter das Einnehmereiwesen
Schlußstrich unter das Einnehmereiwesen
Die Pfalz um eine Eigenart ärmer
Heimatkalender für das Pirmasenser und Zweibrücker Land 1974 - VON ROBERT BAUMANN
Unter dieser Schlagzeile war in der Tageszeitung ,,Die Rheinpfalz" vom 3.1.1973 zu lesen, daß am 31. Dezember 1972 achtundachtzig Einnehmereien aufgelöst worden sind und damit ein „Reservat", das sich in der Pfalz 174 Jahre lang bewährt hatte, sein Ende gefunden hat.
Von der Auflösung betroffen wurden in den Landkreisen Pirmasens-Zweibrücken 11 Einnehmereien (Contwig, Dahn, Pirmasens, Rodalben, Rumbach, Schopp, Simten, Thaleischweiler, Waldfischbach, Wallhalben und Zweibrücken-Hornbach).
Dieses für die pfälzischen Gemeinden, besonders aber auch für den Berufsstand der Steuer- und Gemeindeeinnehmer einschneidende Ereignis veranlaßt mich, die geschichtliche Entwicklung und das Wesen dieses pfälzischen „Reservatsrecht" aufzuzeigen und an den Schluß meiner Betrachtung eine Würdigung der Einnehmereieinrichtung zu stellen.
Geschichtliche Entwicklung
Der Ursprung der Einrichtung liegt in der französischen Gesetzgebung. Als im Jahre 1792 Frankreich dem deutschen Kaiser Franz II. und dessen Verbündeten (darunter auch Bayern) den Krieg erklärt hatte, überschritt ein preußisches Heer die französische Grenze und drang in die Champagne ein. Nach der unglücklichen Kanonade von Valmy am 25.9.1792 mußten die Preußen aber den Rückzug antreten und noch im September und Oktober 1792 besetzten die Franzosen die Rheinlande. Auf dem linken Rheinufer wurden neben der am 22. September 1792 beginnenden neuen Zeitrechnung der französischen Republik auch deren Gesetze und Verwaltung eingeführt.
Das erste Gesetz, welches das Gemeinderechnungswesen und die Steuererhebung regelte, war das vom 11. Frimaire VII (1.12.1798). Hiernach waren für alle Gemein- den Steuereinnehmer zu bestellen, die vom Staatsoberhaupt ernannt wurden; auf Vorschlag der Präfekten konnte auch für mehrere Gemeinden ein geneinsamer Steuereinnehmer bestellt werden. Die nach dem Sturze Napoleons L und dem 1. Pariser Frieden vom 30./31. Mai 1814 als oberste Verwaltungsbehörde für die befreiten Gebiete zwischen dem Rhein und der französischen Grenze eingesetzte K.K. Österreichische und K. Bayerische Landesadministrationskommission änderte an den seit der Besetzung durch die Franzosen in diesen Gebieten bestehenden Verhältnissen nichts. Eine Änderung hat sich in der Pfalz auch nicht ergeben, als am 14. April 1816 die Pfalz an Bayern überging. Durch die „Instruktive Verordnung über die Erhebung und Eintreibung der direkten Steuern" vom 28. Juli 1818 wurde die Einrichtung der Steuer- ünd Gemeindeeinnehmer in ihrer bisherigen Wesensart durch bayer. Landesrecht endgültig festgelegt. Die „Allerhöchste Verordnung" vom 23. August 1847 regelte auch die Vorbedingungen für die Anstellung zum Steuer-und Gemeindeeinnehmer. Voraussetzung hierfür war die erfolgreiche Ablegung einer Prüfung, die besonders umfangreich und schwierig war. Sie erforderte neben „völliger Vertrautheit mit den einschlägigen Gemeindegesetzen, Haushalts-, Kassen-und Rechnungsvorschriften, Steuergesetzen und Sonderbestimmungen, auch eingehende Kenntnisse des gesamten Verwaltungs- und des Bürgerlichen Rechts mit seinen Nebenvorschriften". Die Prüfungen fanden nur nach „Bedarf" statt, seit 1900 wurden insgesamt 10 Prüfungen, die letzte im Jahre 1969, abgehalten.
Die deutsche Gesetzgebung hatte sich also mit der Einrichtung der Steuer- und Gemeindeeinnehmer schon recht frühzeitig befaßt; die grundlegende Regelung in den französischen Gesetzen fand auch in der deutschen Gesetzgebung stets Bestätigung und weitere Vertiefung. So hatte man die Einrichtung später auch in der pfälzischen Gemeindeordnung von 1869, der Bayer. Gemeindeordnung von 1927, im „Dritten Reich" in der Deutschen Gemeindeordnung von 1935 und nach dem Zusammenbruch 1945 in der Gemeindeordnung für Rheinland-Pfalz gesetzlich verankert.
Aus dem "receveur" oder „percepteur" der französischen Gesetzessprache war der deutsche „Steuer- und Gemeindeeinnehmer" geworden.
Tätigkeitsgebiet der Steuer- und Gemeindeeinnehmer
Die Hauptaufgabe des Einnehmers lag auf dem Gebiet des gemeindlichen Kassen-und Rechnungswesen. Er war allein und ausschließlich zuständig zur Erledigung der gesamten Kassen- und Rechnungsgeschäfte der Gemeinden und der gemeindlich verwalteten Stiftungen, zur Erhebung und Verrechnung der gesamten Einnahmen, zur Besorgung und Verrechnung der Auszahlungen und zur Rechnungsstellung. Darüber hinaus war er der sach- und fachkundige Berater des Bürgermeisters bei der Aufstellung der Haushaltspläne und in allen finanziellen Gemeindeangelegenheiten. Bis zur Reichsfinanzreform im Jahre 1920 war der Einnehmer auch zuständig und voll verantwortlich für den Eingang aller direkten Staatssteuern (Grund-, Haus-, Einkommen- und Vermögenssteuern). Mit der Einführung der Reichsfinanzreform wurde dieser Aufgabenkreis allmählich beträchtlich eingeschränkt. Die Entwicklung führte schließlich dazu, daß auf dem Gebiet der Erhebung der früheren Reichssteuern, die noch um die Erhebung der Umsatzsteuer vermehrt war, die Einnehmer nur noch als Kassenhilfsstellen und später als Annahmestellen des Finanzamts tätig waren.
Auch für andere Körperschaften veranlagten und erhoben die Einnehmer Beiträge und Gebühren, wie z. B. Beiträge zu Berufsgenossenschaften, zur Land- wirtschaftskammer, zu Innungen, Brand- und Hagelversicherung, Tierseuchenkasse usw.
Rechtsstellung dir Steuer- und Gemeindeeinnehmer
Die Steuer- und Gemeindeeinnehmer waren ursprünglich Staatsbeamte. Sie wurden von der Staatsregierung ernannt, die auch die Einrichtung, insbesondere die Befugnisse, die Voraussetzungen der Anstellung und die Bezüge der Einnehmer regelte. Schon in der ersten Zeit des Bestehens der Einrichtung erhielt der Einnehmer nicht etwa ein festes Gehalt, sein Einkommen bestand vielmehr in bestimmt festgesetzten Hundertsätzen der von ihm vereinnahmten staatlichen und gemeindlichen Gefälle. Weit über ein Jahrhundert hindurch wurden diese Hebgebühren den einzuziehenden Beträgen hinzugerechnet und mit den Schuldigkeiten eingezogen, dem Staat selbst entstanden dadurch für die Einrichtung keinerlei Kosten. Das sich aus den Heb-gebühren ergebende Diensteinkommen war jedoch kein „Reinverdienst" des Steuer-und Gemeindeeinnehmers. Der Einnehmer mußte hieraus nicht nur seine Geschäftszimmereinrichtung beschaffen, sondern auch den gesamten Dienstaufwand einschließlich der Angestelltengehälter bestreiten. Der Einnehmer hatte weiter die Stellvertretungskosten bei Beurlaubung und Krankheit sowie Auslagen, die auswärtige Dienstgeschäfte erforderlich machten, selbst zu tragen.
Das Aufblühen von Handel und Industrie und das damit verbundene Anwachsen der einzuhebenden öffentlichen Abgaben haben dazu geführt, daß das Besoldungssystem der Einnehmer, so wie es bisher bestand, nicht länger haltbar war. Die Hebgebühreneinnahmen, die doch die Grundlage für die Berechnung des Einkommens bildeten, waren in einzelnen Einnehmereibezirken, insbesondere in solchen, zu denen vorwiegend handel- und industriebetreibende Städte und Gemeinden gehörten, so hoch geworden, daß das Einkommen in keinem Verhältnis mehr zur Arbeitsleistung und Verantwortung der Einnehmer stand. Darauf soll auch eine originelle bayer. Verfügung aus dem Jahre 1906 zurückzuführen sein, die bestimmte, daß „kein Einnehmer mehr verdienen dürfe, als ein bayer. Staatsminister".
Bei anderen Stellen waren die Hebgebührenerträge so minimal, daß der Einnehmer und seine Familie nur die allernotwendigsten Lebensbedürfnisse damit befriedigen konnten. Schon lange suchte man daher nach einer von der bisherigen Methode nicht allzusehr abweichenden, aber doch gerechten Regelung der Einkommensvethältnisse. Man hatte einen Weg gefunden durch die Bildung einer „Ausgleichskasse für die Steuer- und Gemeindeeinnehmer der Pfalz", in die sämtliche Aufbringungsanteile der Gemeinden, die Hebgebühren aus Nebengefällen und die Landespauschale (für die Einhebung von Landessteuern) flossen und aus der die Einnehmer, eingeteilt in 4 Gehaltsklassen, ihre Bezüge erhielten.
Diese 1927 getroffene Regelung hatte sich bewährt, unklar blieb aber nach wie vor die rechtliche Stellung der Einnehmer. Denn diese wurden zwar im Namen des Staates ernannt, aber weder vom Staat bezahlt noch versorgt. Die Angestellten der Einnehmereien standen in einem privaten Dienstverhältnis zum Steuer- und Gemeindeeinnehmer, also nicht im öffentlichen Dienst — ein Zustand, der auf die Dauer nicht mehr tragbar war.
Eine grundlegende Neuordnung brachte dann die von der Landesregierung am 14. 1. 1957 erlassene „Einnehmereiverordnung". Anstellungskörperschaft für die Einnehmer und die Angestellten wurde der „Pfälz. Gemeindekassenverband, K. d. ö. R." unter dem Vorsitz des Regierungspräsidenten. Die Einnehmer verloren damit zwar ihre Landesbeamteneigenschaft, eine bisher bestandene Rechtsunsicherheit wurde aber dadurch beseitigt.
Würdigung der Einnehmereieinrichtung
Bei der Beratung der Bayer. Gemeindeordnung 1927 hat sich der damalige Staatsminister Stützel zur Einrichtung der Steuer- und Gemeindeeinnehmer wie folgt geäußert „Ich möchte nur kurz darauf hinweisen, daß tatsächlich das Institut der Einnehmer in der Pfalz eine Einrichtung ist, die jeder, der sie näher kennt, nur mit höchstem Lob bedenken wird, und daß für den, der sie kennt, der Wunsch besteht, daß die Einführung dieses Instituts auch im rechtsrheinischen Bayern ermöglicht werde, darüber kann kein Zweifel bestehen. Diesen Wunsch wird jeder haben, der das Institut kennt, ob er Pfälzer oder Nichtpfälzer ist. Dieses Institut sorgt nicht nur dafür, daß die Steuern und Umlagen besser hereinkommen, es sorgt auch dafür, daß sie in einer Art und Weise hereinkommen, die den Bedürfnissen und der Wirtschaftslage der Bevölkerung entspricht. Es besteht zwischen dem Einnehmereiinstitut und der Bevölkerung ein wirkliches Vertrauensverhältnis.”
Auch die Kommentare zur Bayer. Gemeindeordnung von Helmreich Rock, Laforet, Woerner und Stößel-Stenger sind einmütig in ihrem Urteil über die Einnehmer und sprechen von einer Einrichtung, die sich „bestens bewährt" hat.
Von der Güte der. Einrichtung waren u. a. auch zwei namhafte Politiker des Landkreises Pirmasens überzeugt: der 1940 verstorbene Bürgermeister Josef Matheis, der 28 Jahre lang die Geschicke der Gemeinde Rodalben leitete, dem bayer. Landtag als Abgeordneter angehörte und auch Vorsitzender des Pfälz. Gemeindetages war; und der derzeitige Bürgermeister und Mitglied des Landtages von Rheinland-Pfalz, Paul Durm. Bei der Einwohnerzahl von Rodalben wäre es schon frühzeitig möglich gewesen, aus dem Verband der Steuer- und Gemeindeeinnehmerei auszuscheiden und eine eigene Kasse zu errichten. Aber sowohl Matheis als auch Durm sprachen sich stets dagegen aus und brachten in Eingaben immer wieder zum Ausdruck, daß es im wohlverstandenen Interesse der Gemeinden liege, daß der Zustand der Pf älz. Steuer- und Gemeindeeinnehmereien unverändert erhalten bliebe. Bürger- meister Durm gehörte seit Bestehen des Pfälz. Gemeindekassenverbandes bis zu seiner Auflösung am 31. Dezember 1972 dem Personalausschuß des Verbandes als Mitglied an und hat die Belange nicht nur der Gemeinden, sondern auch der Einnehmer und der Angestellten in hervorragender Weise vertreten. Für seinen Einsatz sei ihm auch von dieser Stelle aus Dank gesagt.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Artikel der „Rheinpfalz", der vor genau 20 Jahren geschrieben wurde und den ich auszugsweise an den Schluß meiner Betrachtung stellen möchte:
„In fast allen pfälzischen Gemeinden ist der „Einnehmer" nicht nur eine bekannte, sondern eine geradezu beliebte Persönlichkeit. Da nur sehr wenige Menschen gern Steuern zahlen, muß es damit wohl eine besondere Bewandtnis haben. In der Tat ist in der Pfalz der „Steuer- und Gemeindeeinnehmer" der Mann, der nicht nur Jahr für Jahr in den Dörfern und kleinen Städten mit allen Männern und Frauen in Verbindung ist, die irgendwelche Steuern und sonstige „Gefälle" und „Nebengefälle" zu zahlen haben, sondern darüber hinaus ihr Vertrauensmann und gern gehörter Berater bei den verschiedensten finanziellen Aktionen. Davon konnten wir uns wieder einmal überzeugen, als wir in einer Gemeinde des Landkreises viele Dutzende von Leuten zum Bürgermeisteramt wandern sahen, um am „Hebtag" des Steuer- und Gemeindeeinnehmers irgendwelche Abgaben zu zahlen.
Um so mehr wundert man sich, daß vor ein paar Monaten jemand allen Ernstes in Mainz auf den merkwürdigen Gedanken gekommen war, den pfälzischen Steuerzahlern die bequeme Möglichkeit zu nehmen, ihre Staatssteuern wie bisher gewissermaßen „vor der Haustür" zahlen zu können. „Die Staatszeitung" hat in diesen Tagen die ministerielle Entscheidung verkündet, daß alles beim alten bleibt." -
Ja — 20 Jahre ist es nochmals beim alten geblieben, aber dann mußte eine „altbewährte" Einrichtung, die sich während ihres Bestehens auch im steten Wechsel der Staatssysteme als mustergültig bewährt hatte, im Zuge der „Reformen" (13. Landesgesetz über die Verwaltungsvereinfachung vom 1. 3. 1972) weichen. Denn man wollte durch die Bildung von Verbandsgemeinden einheitliches Recht im Lande Rheinland-Pfalz schaffen. Betrachtet man nun heute die einzelnen Gebilde der Verbandsgemeinden und vergleicht sie mit den ehemaligen Einnehmereibezirken, so kann man feststellen, daß in der Pfalz schon seit Jahrzehnten der Reform nach heutigen Gesichtspunkten weitgehend Rechnung getragen war. Und ich kann dem Herrn Regierungspräsidenten nur zustimmen, wenn er in der letzten Sitzung des Pfälz. Gemeindekassenverbandes sagte, „die Pfalz sei durch die Auflösung der 88 Einnehmereien um eine Eigenart ärmer geworden, das Einnehmereiwesen habe über das Institutionelle hinaus in ' 174 Jahren das gemeindliche Leben und damit das Geschick der Pfalz wesentlich mitgeprägt".
Möge der Wunsch des Herrn Regierungspräsidenten, daß sich die Verbandsgemeinden, in deren Verwaltungen die aufgelösten Einnehmereien eingegliedert wurden, ebenso segensreich auswirken mögen, wie dies das Einnehmereiwesen der Pfalz in 174 Jahren getan habe, in Erfüllung gehen!
2007- Vor 100 Jahren: Pfarrer Heinz Wilhelmy in Pirmasens geboren
Vor 100 Jahren: Pfarrer Heinz Wilhelmy in Pirmasens geboren
Heimatkalender für das Pirmasenser und Zweibrücker Land 2007 - Von Bernhard H. Bonkhoff
Am 2. März sind es 100 Jahre her, dass der konsequenteste und aufrechteste Bekenntnispfarrer der protestantischen Pfalz im Dritten Reich als Sohn von Pirmasenser Geschäftsleuten in der Horebstadt das Licht der Welt erblickte. Er gehörte vor und nach dem Krieg zu den unbequemen Pfarrern seiner Kirchenleitung, was bis in das Gezänk um die Benennung des Hauses der gesamtkirchlichen Dienste als „Heinz-Wilhelmy-Haus" in Kaiserslautern Nachwirkungen hatte.
Über seine Vorfahren äußerte er in einem Gerichtsverfahren in der NS-Zeit: „Meine Vorfahren haben in der preußischen Armee gedient und ich habe es mit der Muttermilch eingesogen, deutsch zu sein und das ganze Reich zu sehen. Ich habe einmal im Leben wirklich im Affront zu einer Obrigkeit gestanden. Das war die separatistische Regierung der autonomen Pfalz, der ich in Pirmasens eine Ende bereiten half, so wie ich es damals als junger 17-jähriger Mensch konnte, leider nicht mit der Waffe in der Hand, weil ich keine Waffe hatte, sondern am Glockenstrang ziehend und damit die Stadt zum Widerstand aufrufend, ohne dass ich dazu besonders befohlen worden wäre."
Ab Mai 1933 war Wilhelmy Pfarrer in Thaleischweiler. Dort gilt er noch heute im Rückblick als strenger Pfarrer. Von seiner theologischen Schulung bei Karl Barth her erstrebte er eine Erneuerung von Kirche und Gemeinde durch die Verkündigung des Wortes Gottes, das ohne Wenn und Aber gilt und dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben, wie es 1934 in der Barmer Erklärung hieß. Wie viele junge Pfarrer seiner Zeit ließ sich Heinz Wilhelmy nicht in die vorhandenen Kirchenparteien einordnen. „Liberal" (Pfälzischer Protestantenverein) oder „Orthodox" (Positive Vereinigung) waren hier keine Alternativen mehr; man erstrebte vielmehr etwas Neues. Diejenigen, die dieses Neue nicht im Nationalsozialismus und seinen kirchlichen Helfershelfern, den Deutschen Christen (DC) erblickten, schlossen sich in der Pfälzischen Pfarrerbruderschaft zusammen. Dazu gehörte auch Heinz Wilhelmy, den die Anfeindungen der Hitlerbewegung sehr rasch zur Pfarrbruderschaft und zur Bekennenden Kirche trieb. Wie viele Pfarrer wurde auch Wilhelmy überwacht, Predigtäußerungen wurden kolportiert und er hatte Verhöre, Untersuchungen und schließlich die Amtsenthebung mit Sperrung des Gehaltes erleben müssen.
Hier müssen einige Ausführungen zu den Grundlinien pfälzischer Kirchenleitung während der NS-Zeit gemacht werden: Der 1934 zum Kirchenpräsidenten gewählte und bald darauf gemäß des auch in der Kirche übernommenen „Führerprinzips" als „Landesbischof' titulierte Leiter war der Alt-Nationalsozialist, Gauredner der NSDAP und Träger des Goldenen Parteiabzeichens Ludwig Diehl (1894-1982), von 1924 bis 1964 Dorfpfarrer im westpfälzischen•Mackenbach. Mit ihm war der erste Theologe an die Spitze der Landeskirche getreten. Bisher war der Kirchenpräsident stets Jurist gewesen, denn die beiden Kirchenparteien hätten keinen Präsidenten der gegnerischen Richtung ertragen können. Aber ihre Vertreter saßen weiterhin im Landeskirchenrat: für die Positiven der ebenfalls der DC beigetretene Hans Stichler, die „Graue Eminenz" eines hochkarätig gebildeten und juristisch erfahrenen Theologen, der nach Kriegsende kurzfristig Diehls Nachfolger werden sollte, für die Liberalen der greise Eugen Mayer, selbst ein glühender Nationalsozialist, dessen Sohn Der. Kurt Mayer Direktor des Reichssippenamtes in Berlin war. In seiner 1939 erschienenen Pfälzischen Kirchengeschichte spricht Mayer etwa von „jüdischen Treibern" als Initiatoren des Hambacher Festes oder erblickt in der Abschaffung des Alten Testaments durch die Unionssynode von 1818 eine „merkwürdige Vorwegnahme moderner Gedanken" (der DC!). Auch sein Nachfolger Eugen Roland war ein führender Kopf im Protestantenverein und überzeugter Deutscher Christ. Dieser NSlastige Landeskirchenrat und vor allem der Landesbischof gingen davon aus, dass ein guter Pfälzer Protestant Nationalsozialist sein müsse und es eigentlich zwischen Kirche und Partei keine Probleme gebe, denn man hatte ja einen gemeinsamen Feind, den Katholizismus. So wurde in der Pfalz die NSDAP, die typische protestantische Milieupartei. Diejenigen, die diesen harmonischen Reigen nicht mitmachten, wie etwa Heinz Wilhelmy, traf die Ausgrenzung in doppelter Weise. Die Partei verfolgte ihn als national unzuverlässig, die eigene Kirche schloss ihn als Störenfried ihres Schmusekurses mit dem Staat aus dem Pfarrdienst aus, anstatt ihres Gelübdes zu gedenken, für ihren berufenen Diener zu sorgen.
In der Sudetenkrise 1938 hatte Wilhelmy Gebetsgottesdienste nach Vorlagen der Bekennenden Kirche gehalten, in denen unter anderem namentlich über die abgesetzten und in Konzentrationslagern befindlichen Pfarrer gebetet wurde. Daraufhin wurde er vom Landeskirchenrat mit einem Dienstgerichtsverfahren überzogen, an dessen Ende die Amtsenthebung stand, samt Sperrung der gesamten Bezüge. Aber Wilhelmy und seine Familie erfuhren eine ungeheure Solidarität aus der eigenen Gemeinde und der Bekennenden Kirche des ganzen Reiches. Seine Gegner ruhten allerdings nicht. Der Jurist im Landeskirchenrat, Oberkirchenrat Werner Hahn, betrieb seine endgültige Entfernung aus dem Dienst, bis Wilhelmy 1939 zum Heer einrückte. Hier war er vor dem Zugriff der Geheimen Staatspolizei sicher. Während des Krieges erlebte Wilhelmy neben den üblichen Kriegsgräueln die Vernichtung der Juden im Osten, die er in seinem 1996 im Druck erschienenen Tagebuch „Aus meinem Leben" festgehalten hat. Dort heißt es „Als ich Ende Mai 1945 aus dem Krieg zurückkam, nahm ich nach einer Schnaufpause von drei Wochen meinen Dienst in Thaleischweiler wieder auf. Der Landeskirchenrat hüllte sich wegen des eingeleiteten Dienst-Disziplinarverfahrens gegen mich in blamables Schweigen. Ich habe nie eine abschließende Stellungnahme von ihm gehört." Sein Widersacher Hahn wurde, nachdem er 1941 Beamter der Kommunalverwaltung geworden war, 1948 wieder als juristischer Oberkirchenrat eingestellt und war bis zu seinem Tod 1961 im Dienst.
Wilhelmy begann 1946, für die neu entstehende kirchliche Männerarbeit tätig zu werden, zunächst nebenamtlich, ab 1953 im Hauptamt. Kaiserslautern wurde sein Dienstsitz, die Ebernburg sein hauptamtlicher Tagungsort. In Ebernburg ließ er sich auch mit seiner Familie nieder und verstarb dort am 16. Mai 1980. Daneben engagierte er sich gleich nach Kriegsende in der Kirchlich-Theologischen Arbeitsgemeinschaft (KTA) und begleitete kritisch den Weg seiner Kirche als Mitglied der Kirchenregierung und der Landessynode. Als er 1969 in den Ruhestand trat, musste er erkennen, dass an vielen Ecken und Enden zwar nicht das erreicht worden war, wofür der sich eingesetzt hatte, dass aber doch zahlreiche Samenkörner aufgegangen waren und Früchte trugen.
1981- Historische Orgeln im Pirmasener- und Zweibrücker Raum
Historische Orgeln im Pirmasenser- und Zweibrücker Raum
Heimatkalender für das Pirmasenser und Zweibrücker Land 1981 - Von Bernhard H. Bonkhoff
Aus der klassischen Zeit der Orgelbaukunst gibt es im Kreisgebiet von Pirmasens eine beachtliche Anzahl historischer Orgelwerke, die entweder noch vollständig erhalten sind, oder doch wenigstens mit ihren reich geschnitzten Fassaden das Auge des Betrachters erfreuen. Freilich sind die meisten historischen Orgeln dieses Grenzgebietes, darunter bedeutende Instrumente wie die Orgel der Alexanderskirche in Zweibrücken, 1738 von dem bekannten Meister Johann Michael Stumm geschaffen, die Karlskirchenorgel aus dem Jahr 1818 von den Gebrüdern Franz und Carl Stumm oder die Orgel der Lutherkirche in Pirmasens von Johann Georg Geib' von 1775 Opfer der verschiedenen Kriege geworden. Hierbei bezeichnet die Zahl hinter den Registernamen die Tonhöhe (8', d. h. 8 Fuß = normale Stimmlage, 1 Fuß = 30 cm, 8 Fuß also 2,40 m, die tiefste Pfeife dieses Registers ist 2,40 m lang). Anmerkungen:
Die Kunst des Orgelbaus war in Zweibrücken durch Matthias Christian Baumann2 (1740 - 1794) gut vertreten; 1764 erstellte er für die reformierte Kirche in Ernstweiler ein Orgelwerk mit 8 Stimmen als Meisterstück. Im 19. Jahrhundert war in Zweibrücken der Orgelbauer Johannes Richtscheid ansässig. In Pirmasens wirkten in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts als bewährte und solide Orgelbauer die Gebrüder Huber.3 Aus angrenzenden Gebieten arbeiteten folgende Orgelbauer im Kreis Pirmasens:
Ignatius Seuffert aus Kirrweiler bei Neustadt: 1792 neue Orgel für die kath. Kirche in Dahn.
Gebrüder Stumm: Contwig prot. Kirche 1843, Herschberg 1870, PirmasensJohanneskirche 1863 Neubau, Thaleischweiler 1787, Zweibrücken kath. ca. 1870. Johann Peter Toussaint aus Weyer bei Saarunion: 1738 ref. Kirche Hornbach (Prospekt des Werkes erhalten).
Philipp Daniel Schmidt (1736 - 1804) aus Meisenheim4: 1791 neue Orgel für die luth. Kirche in Hornbach, das Gehäuse ist in der prot. Kirche zu Wallhalben erhalten.
Wendelin Ubhaus aus Kirrweiler: 1832 neue Orgel für Merzalben.
Georg .Geib (1772 - 1847): neue Orgel für Schmalenberg 1837, Gehäuse erhalten.
Ludwig Geib aus Straßburg': 1814 neue Orgel für die Alexanderskirche in Zweibrücken (nicht erhalten).
E. F. Walcker & Cie Ludwigsburg bauten 1858 die von J. Heinrich Lützel entworfene Orgel für die Alexanderskirche in Zweibrücken, eines der bedeutendsten pfälzischen Orgelwerke des 19. Jahrhunderts, das 1911 von dem bayerischen Hoforgelbauer G. F. Steinmeyer/Öttingen vergrößert und mit einem neuen, reich geschnitzten gotischen Gehäuse umgeben wurde. Von Walcker sind im Kreisgebiet einige gute Orgeln auf mechanischen Kegelladen erhalten, so in den Kirchen von Althornbach 1884 und Luthersbrunn ' 1880.
Die schönsten Orgeln unseres Bereiches sollen im folgenden kurz vorgestellt werden:
Contwig: 1843 erhielt die damals noch simultane Kirche ein reich verziertes Orgelwerk aus der Stumm'schen Werkstatt, das in seinen wesentlichen Teilen bis heute erhalten ist und folgende Stimmen besitzt: Principal 8', Bourdon 8', Gamba 8', Octav 4', Flöte 4', Quint 3', Octav 2', Terz 1 3/5', Mixtur 3fach 1', Trompet 8', im Pedal: Subbaß 16', Octavbaß 8' und Violonbaß 8'. Leider hat man bei der letzten Renovierung die Prospektpfeifen nicht in größerer Länge eingebaut, was den Anblick der Fassade etwas stört.
Schmalenberg: 1837 fertigte Georg Geib aus Frankenthal diese schwere Orgel im klassizistischen Stil, die 1906 von J. Poppe/Offenbach ein neues, pneumatisches Werk erhielt, das 1954 von Walcker eine Klangaufhellung erfahren hat.
Herschberg: 1870 bauten die Gebrüder Stumm eines der letzten Schleifladen-werke hier auf, das bis heute unverändert, aber leider sehr verwahrlost und renovierungsbedürftig erhalten ist und folgende Disposition hat: Bourdon (ab c°) 16', Principal 8', Viola di Gamba 8', Octav 4', Geigenprincipal 4', Flöte 4', Quint 3', Octav 2', im Pedal: Subbaß 16', Octavbaß 8', Violonbaß 8'. Die Stumm's verzichteten damals oft auf die Klangkrone der Mixtur; ähnliche Werke sind in Waldmohr und in Konken (Kreis Kusel) erhalten.
Hornbach:. 1738 baute Johann Peter Toussaint aus Weyer in der Grafschaft Saarwerden (bei Saarunion) die erste Orgel dieser Kirche, ihre Fassade ist bis heute erhalten. 1768 baute Matthias Christian Baumann ein neues Werk ein, das 1892 abermals durch ein neues Werk, damals in völlig traditionellen Bahnen auf mechanischer Schleiflade, von Gebrüder Huber/Pirmasens ersetzt wurde. Nach den Zerstörungen des 2. Weltkrieges bauten die Gebrüder Oberlinger aus Windes-heim bei Bad Kreuznach im Toussaint'schen Prospekt eine neue Orgel ein. Die Disposition Toussaints lautete: Principal 8', Gedackt 8', Prestant 4', Flöth 4', Quint 3', Octav 2', Terz 1 3/5', Cornett 4f. 4', Superoctav 1', Mixtur 4f.-1', Trompet 8', im Pedal: Subbaß 16', Principalbaß 8'.
Pirmasens: 1775 baute Johann Georg Geib aus Saarbrücken eine prächtige Orgel auf 2 Manualen und Pedal, die um 1890 durch die Gebrüder Huber repariert und 1914 durch einen pneumatischen Neubau von Steinmeyer ersetzt wurde. 1945 verbrannte die Orgel durch Kriegseinwirkung.s
Thaleischweiler: 1786/87 bauten die Brüder Philipp und Franz Stumm6 ein prächtiges, reich geschnitztes Orgelwerk, das 800 fl. und 1 Karoline Trinkgeld kostete. Es hatte folgende Stimmen: Bourdon 8', Principal 4', Flaut 4', Quint 3', Octav 2', Terz 1 3/5 ', Mixtur 3fach 1', Trompet 8', im Pedal: Subbaß 16', Octavbaß 8'. 1914 baute der Orgelbauer Poppe' aus Offenbach bei Landau im vorhandenen Gehäuse ein pneumatisches Werk mit 2 Manualen und Pedal ein, das 1954 durch Walcker/Ludwigsburg im Klang aufgehellt wurde. Vor kurzem wurde die Fassade der Orgel gut restauriert; sie ist ein Schmuckstück der Kirche.
Wallhalben: 1823 erwarben die Wallhalber Protestanten die 1791 von Philipp Daniel Schmidt aus Meisenheim erbaute Orgel aus der luth. Kirche zu Hornbach, die durch die Union von 1818 überflüssig geworden war. Sie hatte folgende Stimmen: Bourdon 8', Salicional 8', Principal 4', Flöte 4', Quint 3', Octav 2', Mixtur 3fach 1', Trompet 8', im Pedal: Subbaß 16' und Octavbaß 8'. Nachdem 1905 die Kirche neu erbaut worden war, fügte G. F. Steinmeyer/Öttingen in das historische Gehäuse ein pneumatisches Werk ein.
Zweibrücken: 1911 baute G. F. Steinmeyer/Öttingen in die durch Architekt Doflein/Berlin wiederhergestellte Kirche eines der größten pfälzischen Orgelwerke seiner Zeit ein, wobei die- schweren qualitätvollen Pfeifen E. Walckers aus dem Jahr 1858 wieder Verwendung fanden. Nur die mit + bezeichneten Pfeifen sind neu. Doflein hatte auch das reich verzierte und vergoldete gotische Gehäuse passend zum Stil der Kirche entworfen. Die Zusammenstellung der Register zeigt deutlich den romantischen Zeitgeschmack: die Grundstimmen zu 8' sind überreich in allen feinen Klangabstufungen vertreten. Ein reiches Arsenal von Hilfszügen: 3 Freie Kombinationen zum Vorprogrammieren von Klangmischungen, ein automatisches Pianopedal für das 2. und 3. Manual, eine Walze, mit der man den Orgelklang kontinuierlich vom feinsten Piano bis zum vollen Tutti regeln konnte, sowie Superoctavkoppeln II/I und Suboctavkoppel III/I erleichterten das Spielen dieser großen Konzertorgel, deren Einzelstimmen einmal vorgestellt werden sollen:
Am 14. 3. 1945 ging die Orgel durch Bombenwurf mit der spätgotischen Alexanderskirche verloren. Nur im Bild können wir diese großzügige Anlage noch bewundern.
Seit dem 2. Weltkrieg ist eine Fülle neuer Orgeln entstanden, die die Orgellandschaft im Südwesten der Pfalz sehr bereichern und wieder mehr in den klassischen
Bahnen des Orgelbaus mit Schleifwindladen und mechanischer Traktur angelegt sind, etwa die Instrumente von Ott/Göttingen in der Alexanderskirche Zweibrükken, die Steinmeyer-Orgel in der Johanneskirche in Pirmasens und die neue Orgel von H. Mayer/Heusweiler in der kath. Kirche in Busenberg.
1. B. H. Bonkhoff: Die Orgelbauerfamilie Geib und ihr Werk (in: Der Turmhahn, Blätter vom künstlerischen Schaffen und Bauen in der Pfälzischen Landeskirche 21,. 1977, Heft 1/2)
2. B. H. Bonkhoff: Die Orgelbauerfamilie Baumann und ihr Werk (in: Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft für mittelrheinische Musikgeschichte Nr. 39, 1979, S. 510 - 532)
3. Über diese Orgelbauerfamilie liegt noch keine Forschung vor.
4. B. H. Bonkhoff: Die Pfälzer Orgelbauerfamilie Schmidt in Meisenheim, Rockenhausen und Kirchheimbolanden und ihr Werk (in: Nordpfälzer Geschichtsverein, Beiträge zur Heimatgeschichte, 59, 1979, S. 63 - 67, S. 94 - 99 und 60, 1980)
5. S. 8f der unter Anm. 1 genannten Schrift wird die Orgel mit Geschichte, Disposition und Bild näher erläutert.
6. F. Bösken: Die Orgelbauerfamilie Stumm aus Rhaunen-Sulzbach und ihr Werk (in: Mainzer Zeitschrift 1960)
7. Über Poppe liegt bislang noch keine Studie vor. Joseph A. Poppe wurde als Sohn einer bereits seit 1757 als Orgelbauer tätigen Familie am 11. Oktober 1879 in Stadtroda/Thüringen geboren und war ab 1911 in Offenbach als Orgelbauer ansässig. 1928 verlegte er seinen Betrieb nach Lan- dau. Da der Betrieb im 2. Weltkrieg ausgebombt wurde, ging die Werkstatt ein. Poppe starb am 4. April 1967 in Kirschweiler bei Idar-Oberstein.
1975- Die 100-Jahr-Feier der Bahnstrecke Annweiler-Pirmasens-Zweibrücken 1875
Die 100-Jahr-Feier der Bahnstrecke, Annweiler - Pirmasens - Zweibrücken von 1875-1975 - 1977
Heimatkalender für das Pirmasenser und Zweibrücker Land 1977 - Von Otto Bauer
Zum Auftakt: Empfang im Herzogsaal der Stadt Zweibrücken mit zahlreichen Vertretern des öffentlichen Lebens am 25. November 1975. Mit Spannung erwartet, die Rede des Präsidenten der Bundesbahndirektion Saarbrücken, Dr.-Ing. Lamp, und lebhaft begrüßt seine Feststellung:
„Hinsichtlich der Überlegungen zur etwaigen Stillegung wirtschaftlich unrentabler Strecken - unrentabel, weil das Beförderungsangebot der Bahn hier nicht oder nur noch völlig unzureichend in Anspruch genommen wird - darf festgestellt werden, daß diese Eisenbahnstrecke, deren 100. Jubiläum wir heute begehen, nicht zu den Strecken gehört, deren Beibehaltung in Frage stehen würde."
Zu Beginn des Eröffnungsempfangs hatte Zweibrückens Oberbürgermeister Dr. Helmut Fichtner den Gästen ein herzliches Willkommen entboten. Fichtner erinnerte daran, daß sich in der 100jährigen Geschichte des „Geburtstagskindes" das Auf und Ab unserer oft leidvollen Geschichte als Region an der Grenze spiegele. Er begrüßte es, daß ein klärendes Wort gesprochen worden sei, wonach diese Strecke nicht dem Sparprogramm der Bundesbahn zum Opfer falle: „So können wir alle in dem Bewußtsein und mit dem Wunsch in die Jubiläumsfeierlichkeiten gehen, daß die Strecke auch ihr zweites Jahrhundert unbeschadet, ja eines Tages vielleicht unter Strom und mit einer wachsenden Bedeutung zum Wohle unserer Region erleben wird. Vielleicht stehen wir damit heute zu Beginn der Jahrhundertfeier auch am Beginn einer neuen Entwicklungsepoche für diesen Streckenabschnitt einer ewig jungen Eisenbahn."
Die Feierstunde war stilvoll umrahmt von Darbietungen des Kammerorchesters Zweibrücken.
Ein Blumengebinde hatte das Stadtoberhaupt parat für den ältesten noch lebenden Eisenbahner in Zweibrücken, Daniel Schmidt, für den der pensionierte Eisenbahnoberinspektor Fäth das Präsent entgegennahm.
Dem Empfang schloß sich eine Fahrt per Extrazug nach Pirmasens an, wo von Oberbürgermeister Rheinwalt eine DB-Fahrzeugschau eröffnet wurde.
Wie die Bevölkerung an ihrer Eisenbahn hängt, erwies sich auch bei der Gelegenheit zum Lokmitfahren mit Diesel- und Dampflokomotiven: es war -zugleich der Abschied der Dampflok von der Pfalz. Die Senioren, Damen und Herren ab 60 Jahren, sprachen bei der Seniorenfahrt, der Pfalzrundfahrt am 26. November 1975 mit der „Rollenden Weinstraße" „hundertfach" von allen Eisenbahnen ihres Lebens. Was kam da nicht alles aus der Fundgrube der Erinnerung ans Tageslicht. Und wie ist jeder mit der Eisenbahn verbunden in guten Stunden, in bitteren Stunden des Krieges und der unmittelbaren Nachkriegszeit! Und wie wurde das „Kindheitserlebnis Eisenbahn” beschworen. In der Tat: die Bahn hat ein Leben begleitet, ja, sie hat es zum Teil mitbestimmt im Arbeitsalltag wie in Ausnahmesituationen: „Wir haben uns im Zug verlobt", bekennt die alte Dame und lächelt in Erinnerung, „die Hochzeitsreise - natürlich mit der Bahn - im gleichen Abteil begonnen-. . ".
Nächster Höhepunkt: „Das Fest der Reise, DB modern", Information, Folklore, Tanz im Hohenstaufensaal zu Annweiler. Unter den zahlreich erschienenen Ehrengästen konnte der Bürgermeister von Annweiler am Trifels, Hans Stöcklein, die Präsidenten der Bundesbahndirektion Saarbrücken und Karlsruhe, Dr.-Ing. Lamp und Dipl.-Ing. Schwaner, Regierungspräsident Hans Keller, die Landräte Schwetje (Landau-Bad Bergzabern) und Dr. Uelhoff (Pirmasens) begrüßen.
In seinem Streifzug durch die Geschichte der Eisenbahn im südpfälzischen Raum wies Bürgermeister Stöcklein auf die tiefgreifende Beeinflussung der Wirtschaft wie der Landschaftsstruktur durch die Eisenbahn hin, wobei er insbesondere die positiven Auswirkungen auf die Stadt Annweiler und den Fremdenverkehr hervorhob.
DB-Generalvertreter Otto Bauer führte in seiner Festrede unter anderem aus:
„Mit Unterstützung der Städte und Gemeinden wurde es möglich, ein großes Festprogramm zu gestalten. Seit Wochen beschäftigen sich Schüler und Schülerinnen mit dem Mal- und Bastelwettbewerb.
Die offiziellen Feierlichkeiten wurden am 25. November 1975 - dem eigentlichen Geburtstag - bei einem Empfang des Oberbürgermeisters von Zweibrücken von Bundesbahndirektionspriiside•t Dr.-Ing. Lamp vor Spitzenvertretern aus Politik, Wirtschaft und Behörden mit einer richtungsweisenden Rede über die Bundesbahnkonzeption der Zukunft eingeleitet. - Am gleichen Tage eröffnete Ober- bürgermeister Rheinwalt die große DB-Fahrzeugschau in Pirmasens.
Über 5 000 Menschen besuchten diese Schau. Die besondere Liebe der Besucher galt „der guten alten Dampflok", auf der man eine erregende Lokfahrt im Füh- rerstand unternehmen konnte. Am Samstag und Sonntag hatte Zweibrücken eine Fahrzeugschau, zu der über 10 000 Menschen kamen.
Am Sonntag werden Städte und Dörfer bei -unserer Jubiläumsfahrt im Sonder- zug „Deutsche Weinstraße" durch besondere Darbietungen auf ihren Bahnhöfen mitfeiern, so wie es or Jahren bei der Pfalzbahn und der Alscnzbahn war.
Die Schaufenster der großen Kaufhäuser in Pirmasens standen unter den Motto „100 Jahre Eisenbahn". 4 000 begeisterte Kinder lösten am Informationsstand der DB ihre Fahrkarten zur Fahrt mit dem Adlerzug rund um das Warenhaus.
Bei einer Pfalzrundfahrt im Sonderzug „Deutsche Weinstraße« waren die Se- n oren unsere Gäste bei Weck, Worscht und Woi. Da der erste Zug in kurzer Zeit ausgebucht war, mußte ein zweiter Zug gefahren werden. In diesem Zug erfreuten sich auch 100 Kinder der drei Siegerklassen des Mal- und Bastelwettbewerbs aus Thaleischweiler an einer Eisenbahnfahrt.
Unser Jubiläum hat nicht 'haltgemacht vor Direktionsgrenzen. So findet dieser Festabend in Annweiler statt, in einer Stadt, mit der die Saarländer schon Freundschaft geschlossen haben, als dieses Land noch von Deutschland abgetrennt war. Annweiler war und bleibt für uns das ideale Ausflugsziel und Sonderzug- aicL
Daß Direktionspräsident .Schwaner aus Karlsruhe durch sein Kommen die Brücke zwischen den beiden Direktionen schlägt, freut uns besonders.
Zum Schluß noch ein paar Worte über die Eisenbahn: Zehn Jahre früher als in Deutschland rollte in England der erste Eisenbahnzug mit Personen und Lasten über die Schienen. Am 27. September 1825 fuhr die von Stevenson erbaute Lokomotive von Stockton nach Darlington. England feierte sein 150. Eisenbahnjubiläum mit vielen Veranstaltungen. Der Herzog von Edinburgh .eröffnete die Feierlichkeiten.
In einer so kritischen Zeit wie der heutigen fragt sich mancher: Hat die Bahn eine Chance für die Fahrt ins 21. Jahrhundert? Wir sagen, ja!
Die Eisenbahn der Zukunft sieht so aus:
Im Personenverkehr fahren schnelle Züge auf rentablen Strecken zwischen aus.- reichend großen Wirtschaftszentren elektronisch programmiert und automatisch gesteuert auf verbesserten und zum Teil neu zu bauenden Strecken. Dazu kommen leistungsfähige Nahverkehrsnetze im Bereich der großen Städte und Industrie- regionen.
Beim Güterverkelir bleiben die großen Entfernungen der Bahn. überlassen. Der Lkw-Verkehr bildet dichte regionale Netze. Zum Huckepackverkehr kommt der Container- oder Großbehälterverkehr.
Romantiker und manche Techniker lieben immer noch das alte gute Dampfroß. Pragmatiker sagen der Eisenbahn ihr baldiges Hinscheiden voraus. Doch beide werden umdenken müssen. Die Romantiker und Techniker werden erleben, wie elektrische Oberleitung und Computer die Bahn steuern. Die Pragmatiker werden entdecken müssen, daß ein gut funktionierendes Eisenbahnnetz Voraussetzung für eine ebenso gut funktionierende Wirtschaft ist.
Blicken wir einmal über den großen Teich:
Amerika ist vom Pferdewagen direkt auf Auto und Flugzeug umgestiegen. Es gibt dort die großen Ost-West-Verbindungen, aber: was fehlt, ist das Netz, das Eisenbahnnetz. Doch nur ein dichtes Netz von Eisenbahnen erst erzeugt Zivilisation, nicht die Straße, nicht das Flugzeug. Das ist der Grund, warum für die letzte Jahrhundertwende Europas die Worte Fortschritt und Eisenbahn das gleiche bedeuten konnten. Neue Schienenwege zu bauen, war der jeweils entscheidende Schritt in ein neues Zeitalter."
Der Trifels-Chor von Annweiler und die Jägerkapelle Erfweiler umrahmten die stark beachtete Feierstunde, in deren Verlauf Landrat Dr. Uelhoff die Preisträger des Mal- und Bastelwettbewerbs der Schulen auszeichnete. Die Arbeiten waren in den Schalterhallen der Kreissparkassen Pirmasens und Zweibrücken ausgestellt.
Im anschließenden bunten Programm entpuppte sich Anni Becker, die „Pälzer Krott", als großartige Stimmungsmacherin. Ergötzlich ihre „frechen Liedchen", die respektlosen Persiflagen und ihre, wohl durch privaten Vergleich gewonnene Erkenntnis, „daß ein Flirt in der Eisenbahn ungefährlicher sei, als ein solcher auf der Autobahn".
Die Familie Halfmann aus Kaiserslautern, sechsköpfig, musizierte und sang sich in die Herzen der Zuhörer, die Trachtengruppe des Volksbildungswerkes Dahn tanzte. Es war ein „Fest der Reise".
Über den Jubiläumstag selbst, die Hundert-Jahr-Gedächtnisfahrt am 30. November 1975, schrieb Karl Heinz in der „Rheinpfalz": „Wenn die Bundesbahn jubiliert, feiert sie auf der Schiene; so schickt es sich. Die von ihr bedienten Anlieger erinnern sich des Jubels, mit dem ihre Vorfahren einst den ersten Eisenbahnzug als „Anschluß an die Welt" begrüßten, hissen die Fahnen, beordern Musikkapellen, bekränzen Ehrenjungfrauen und feiern festen Fußes zu Lande mit; so ist der Brauch.
Am Sonntag paffte eine „Lustfahrt" von Zweibrücken nach Annweiler: Die Südpfalzstrecke feierte 100. Geburtstag. Ausrichter der Festivitäten war der Generalvertreter Saarbrücken/Kaiserslautern der Bundesbahndirektion Saarbrücken in der Person von Bundesbahndirektor Otto Bauer, Schirmherr der Landrat des Landkreises Pirmasens, Dr. Klaus-Dieter Uelhoff. Der Sonderzug „Deutsche Weinstraße", gezogen von einer Dampflok, die den Krieg überstanden und zwei Millionen Kilometer „auf dem Buckel hat", diente als Jubiläumsgespann. Unter den Festgästen - periodisch auftauchend - Staatssekretär Kurt Jung. Seßhaft an Bord MdL Hermann, Direktionspräsident Dr.-Ing. Lamp und Schirmherr Dr. Uelhoff, sie fungierten als Antwortredner den Glückwünschen der Bürgermeister gegenüber.
Massenzulauf trotz Nieselregen und schwarzen Wolken bezeugte die Eisenbahnverbundenheit der Bevölkerung so deutlich wie die Reden: „Wir stehen ein für unsere Bahnverbindung!", von seiten des Direktionssprechers apostrophiert mit der Bitte, „die Bahn auch zu benützen!".
Aller Wunsch: Gute Fahrt ins zweite Jahrhundert.
Der Fahrtverlauf: In Zweibrücken blies die St.-Martins-Kapelle von Martins-höhe der Bahn den Marsch. Der Lokführer ließ Dampf ab, attraktiv fürs Jubiläumsfoto. Staatssekretär und Rosenkönigin einigten sich auf das Abfahrtssignal.
Contwig: eine uralte Feuerwehrspritze behütete den Zug vor dem Heißlaufen. Bürgermeister Alfred Hüther faßte in Worte, was die Bahn den Gipsern und Maurern (auch den übrigen Contwigern) vor 100 Jahren bedeutet habe. Thaleischweiler-Fröschen: der ganze Ort war auf den Beinen, Ortsbürgermeister und Verbandsbürgermeister, Alois Bauer und Wilhelm Faul, redeten von Gegenwart und Zukunft. Pitmasens Nord wurde stillschweigend passiert (in Pirmasens war Fahrzeugschau). Rodalbens Bürgermeister Paul Durm erklärte angesichts eines erklecklichen Teils seiner Stadtbevölkerung vorsorglich, man werde für die Strecke zu kämpfen wissen und hob ab auf Sozialfunktion und Statussymbol der Eisenbahn.
Mit Musik zum Städtle hinaus. In Münchweiler an der Rodalb reine Kinderstimmen: „Ja das Reisen, ja das Reisen ist famos" und Bürgermeister Karl Herrmann wünschte der Strecke wieder die einstige Zweigleisigkeit. In Hinterweidenthal pochte Bürgermeister Ewald Eitel gar auf die drei Bahnhöfe in der Gemarkung. Und überall Gesang, Musik, beinahe Eisenbahnbegeisterung!
I-lauenstein. Die „Ulanen", von Uniformfans begeistert akzeptiert, spielten auf, Bürgermeister Hugo Leidner hatte für den obersten anwesenden Eisenbahner ein Paar Schuhe mitgebracht. Umtausch bei Nichtpassen gewährleistet.
In Wilgartswiesen wartete Bürgermeister Klaus Weber mit geschichtlichen Details auf: 10,0 000 Gulden bekamen die Wilgartswiesener 1875 für abgegebenes Gelände; -der Holztriftbetrieb auf der Que ch erlag dem neuen Bahnbetrieb.
Rinntllal hatte sich Überraschungen ausgedacht. Ballone stiegen in den Abend- himmel, Böller krachten. Ortsbürgermeister Willy Metzger kam im Zylinder. Die Kinder kriegten Neujahrsbrezeln und Pfarrdiakonin Lore Drum hatte die ganze Eisenbahngeschichte in Verse gefaßt, von den Dorfmädchen vorgetragen: „Damit zu spielen schätzen Söhne - und die Väter noch viel mehr!"
In An.nweiler, der Endstation, sprach Staatssekretär Jung. Bürgermeister Hans Stöcklein lud ein, den'li:'rifelsherolden auf den Rathausplatz zu folgen, wo ein altgedientes prächtiges Karussell und Glühwein die Jubiläumsbahnfahrer erwarteten nebst Vorweihnachtsstimmung, Licht und Leuten. Nun kamen auch die prächtigen Kostüme und Federhüte aus dem Theaterfundus zur rechten Geltung, mit denen junge Kaiserslauterinnen dem Fest den nostalgisch-geschnürten Anstrich gaben."
Es war ein würdiges Jubiläum.
- 1977- Im Nebel der Vergangenheit
- 1988- 75 Jahre Biebermühlbahn
- 1980- Die Burgruine Steinenschloß
- 1975- Aus der Lebensgeschichte des Schwarzbachs
- 1974- Die Sankt-Cyriakus-Kapelle zu Meisenbach
- 1974- Der Hundsfritz
- 1975- Ein Mann kehrt heim...
- 2000- De Fauschde Lui, eh echder Äschwillrer Bu!
- 1997- "Mach es wie die Sonnenuhr...
- 1989- Die Realteilung