Gemeinde Fröschen im Notjahr 1929

Zusammengestellt von Herbert Justus, Höhfröschen im Jahre 2004

Bei meinen heimatkundlichen Nachforschungen ist mir ein Schreiben
der Gemeinde Fröschen an Altbürgermeister Matheis, Rodalben, zugänglich geworden, wo auf eine Denkschrift über die wirtschaftliche Not der Landgemeinden des Bezirks Pirmasens hingewiesen wurde.
In der "Bibliotheka Bipontina" in Zweibrücken konnte ich Einblick
in diese Denkschrift nehmen und daraus erfahren, daß in unserem Bezirk, 11 Jahre nach Ende des 1.Weltkriegs, echte Not herrschte. Kaum vergleichbar mit der heutigen Situation; obwohl man beim Blick in die Zeitungen, oder Talk-Shows im Fernsehen, glauben könnte, daß es uns in Deutschland noch nie so schlecht wie heute gegangen sei!
Oberregierungsrat Wenner, Vorstand des Bezirksamts Pirmasens, hatte bei einer Zusammenkunft der Bürgermeister und Gemeindesekretäre des Amtsbezirks Pirmasens im Herbst 1928 die Anregung gegeben, eine Zusammenfassung der finanziellen, wirtschaftlichen und kulturellen
Zustände zu erarbeiten, wie sie sich in der Nachkriegszeit als Folge des Versailler Friedensvertrags entwickelt hatten.
Damit wollte man erreichen, entsprechende Hilfe für unser Grenzgebiet, vom Land Bayern und dem Reichsgebiet zu erhalten.
Alle Gemeinden erhielten entsprechende Vorgaben über die zur Denkschrift benötigten einzelnen Sachgebiete. Damit wollte man ein genaues, detailgetreues Bild der augenblicklichen Situation erstellen.
Nachstehend nun zuerst das Schreiben des Bürgermeisteramts Fröschen
vom 15.Dez.1928 im Original:
An den Landgemeindenverband Kreis Pfalz, zu Händen des Herrn Kreisobmannes, Altbürgermeister Matheis, Rodalben.
Betreff: Aufstellung einer Denkschrift für die Gemeinden des
Bezirks Pirmasens.
Von dem Verband der Landgemeinden Bayerns e.V. zur Aufstellung einer Denkschrift aufgefordert, gestatten wir uns hiermit folgendes darzulegen:
Bei der Beurteilung der gegenwärtigen Verhältnisse der Gemeinden im Bezirk Pirmasens muss vor allen Dingen darauf hingewiesen werden, daß die wirtschaftliche Not, unter der die Landgemeinden und ihre Bevölkerung leiden, ihre tiefste Ursache in dem verlorenen Krieg und der nun schon zehn Jahre dauernden Besatzung hat. Deshalb muß auch an dieser Stelle die Forderung erhoben werden, daß die zuständigen Stellen alles tun um die Räumung des besetzten Gebietes zu errichen. Die Nachteile, die aus der Anwesenheit der Besatzung resultieren, sind derart bekannt, daß sich ein Eingehen darauf an dieser Stelle erübrigt.
Zu der dem ganzen besetzten Gebiet eigenen wirtschaftlichen Notlage kommen die besonderen Verhältnisse im Bezirk Pirmasens, die an dieser Stelle deshalb erörtert werden müssen, wiel sie voll und ganz auf die Gemeinde Fröschen zutreffen.
Bekannt ist, daß das Wirtschaftsleben der Stadt Pirmasens und
im gleichen Umfange des Landbezirks, völlig abhängig ist von der einzigen vorhandenen Industrie, der Schuhherstellung. Diese befindet sich aus verschiedenen Ursachen schon seit Monaten in einer Krise, die ebenfalls so bekannt ist, daß eine eingehende Darstellung hier nicht Platz zu greifen braucht. Es sei lediglich darauf hingewiesen, daß die Zahl der Arbeitslosen auf 12 000 im Bezirk angestiegen ist, eine Ziffer, die von keinem anderen Bezirk auch nur annähernd erreicht wird, die um ein vielfaches über der Arbeitslosenziffer der Nachbarbezirke und erst recht derjenigen Bayerns und des Reiches liegt.
Hinsichtlich der diese Verhältnisse bedingenden Ursachen soll lediglich auf die Grenzlage des Bezirks hingewiesen werden:
Der Bezirk Pirmasens ist Grenzbezirk im doppelten Sinne. Auf der einen Seite wurde er ausserordentlich benachteiligt durch die im Versailler Vertrag festgelegte Grenzziehung im Süden, auf der anderen Seite durch die Abschnürung des Saargebiets, die der Schuhindustrie einen großen Teil ihres Absatzes nahm.
Es muß deshalb auch an dieser Stelle erneut verlangt werden,
daß der Bezirk Pirmasens wie bisher in Zukunft als Saargrenzbezirk
behandelt wird. Gerade die Gemeinden des Bezirkes, die an den Bezirk Zweibrücken angrenzen, haben ein besonderes Interesse an der Aufrechterhaltung des bisherigen Zustandes.
Die vorstehend geschilderte wirtschaftliche Not des Bezirkes lastet auf der Gemeinde Fröschen in einem Ausmaße, das mit den folgenden Angaben nur eine teilweise Schilderung gegeben werden kann. Die. Gemeinde, bestehend aus den Dörfern Höh- und Thalfröschen mit der Annexe Biebermühle, zählt heute rund 1450 Einwohner.
Davon sind etwa 350 Arbeiter und Arbeiterinnen der Schuhindustrie und dadurch mit ihren rund 650 Angehörigen unmittelbar von derselben abhängig. Daneben werden etwa 60 Landwirte mit ungefähr 240 Angehörigen gezählt; der Rest besteht aus Gewerbetreibenden und Beamten. Da es sich bei der Landwirtschaft fast ausschließlich um Klein- und kleinere Mittelbetriebe handelt, ist dieselbe auf
den Verkauf der täglich anfallenden Produkte angewiesen und deshalb völlig von dem Verdienst der Arbeiterschaft abhängig.
In der Gemeinde befinden sich 4 Schuhfabriken, die z.Zt stark verkürzt arbeiten und wahrscheinlich in absehbarer Zeit stillgelegt werden müssen. Von den obengenannten 350 Arbeitern und Arbeiterinnen sind z.Zt. rund 200 arbeitslos. Etwa 50 sind bereits der Krisenfürsorge anheimgefallen; eine größere Zahl muß in nächster Zeit derselben überwiesen werden. Die daraus für die Gemeinde resultierende Belastung kann bei weiterer unvermeidbarer Steigerung unter keinen Umständen getragen werden.
Das der Gemeinde insgesamt zur Verfügung stehende Einkommen von etwa 27 600,-- RMK. jährlich würde in diesem Falle fast in ganzer Höhe durch die Krisenfürsorge in Anspruch genommen werden. Wie aus der Anlage zu diesem Berichte hervorgeht, muß es jedoch für andere dringende Aufgaben der Gemeindeverwaltung verwendet werden. Andere als die bereits bestehenden Einnahmequellen besitzt die Gemeinde nicht. Insbesondere ist es unmöglich, die geltenden Umlagehundertsätze zu erhöhen, da seit dem Bestehen des Finanz- ausgleichs die Höchstsätze erhoben werden mußten, um die der Gemeindeverwaltung obliegenden Aufgaben durchführen zu können. In welcher finanzieller Lage sich die Gemeinde befindet, geht am deutlichsten aus den nachstehenden kurzen Angaben hervor:
1913 betrug der Anfall an Umlagen                                                          Mk. 17 257,--
1926 nahm die Gemeinde ein an Umlagen und Steueranteilen                RMK. 13 637,--
abzüglich Bezirksumlagen                                                                     RMK.   5 757,--
verbleiben:                                                                                           RMK.   7 880,--
Es standen also bei dem erweiterten Aufgabenkreis rund
10 000,-- RMK. weniger zur Verfügung als im Jahre 1913. Dazu kommt, daß das Einkommen der Gemeinde seit 1.4.1928 durch die Erhöhung der Umlagenhundertsätze der Bezirksumlage, von 200 auf 300 % weiter geschmälert wird.
Daß die Gemeinde unter den vorstehend geschilderten Verhältnissen nicht in der Lage war, neben ihren dauernden Aufgaben diejenigen Projekte durchzuführen, die bei normalen Verhältnissen schon längst hätten durchgeführt werden müssen, bedarf keiner weiteren Bestätigung mehr. Auch hier sollen nur diejenigen Pläne aufgegriffen werden, die besonders dringend sind, deren Nichtdurchführung für alle Beteiligten von großem Nachteile sind.
1.) Seit längerer Zeit wird von Bezirksamt und Bezirksschulbehörde
auf den Bau eines zweiten Lehrsaales in Höhfröschen gedrängt;
es sind dort 2 Lehrstellen vorhanden, die das Abhalten von
Abteilungsunterricht notwendig machen. Es ist ohne weiteres klar, daß der Unterricht darunter außerordentlich notleidet.

Falls die Gemeinde einen zweiten Lehrsaal nicht erstellt,
läßt es sich nicht vermeiden, daß die zweite Lehrstelle wieder aufgehoben wird. Der einzige Ausweg ist der baldige Bau des bereits geplanten Lehrsaales. Die Kosten der Ausführung desselben werden auf
                                                           RMK. 20 000,---
geschätzt.
2.) Nach den vorgenommenen Erhebungen ist die Gemeinde gezwungen, im Jahre 1930 einen dritten Lehrsaal in Thalfröschen zu erstellen. In diesem Jahre wird die Schülerzahl auf 130 angewachsen sein. Da nach den bestehenden Verordnungen Abteilungsunterricht nicht mehr eingeführt werden soll, bei den z.Zt. bestehenden Verhältnissen aber nicht zu umgehen ist, bleibt nur der Bau eines weiteren Lehrsaales, dessen Ausführung mit
                                                         RMK. 25 000,--
veranschlagt ist.
3.) Neben den unzulänglichen räumlichen Verhältnissen im Schulwesen der Gemeinde muß auf den großen Mangel an Lehrmitteln, Vorführungsapparaten usw. hingewiesen werden. Es sind nicht die für den heutigen Unterricht notwendigsten Gegenstände vorhanden. Die Gemeinde konnte bis heute dem stetigen Drängen des Lehrpersonals nicht nachgeben, weil die zur Abhilfe notwendigen Mittel nicht zu beschaffen waren. Um den dringendsten Bedürfnissen zu genügen, wäre ein ungefährer Betrag von
                                                   RMK. 2 500,--  notwendig.
4.) Die eigenartige Lage von Thalfröschen hat die Unmöglichkeit zur Folge im Anschluß an die bestehenden Ortsstraßen weiteres Baugelände zu erschließen. Eine Vergrößerung des Ortes ist nur möglich durch die Gesamterschließung von Baugelände in dem an ihn stoßenden Teil der Gemarkung. Die Durchführung des bereits vorliegenden Planes erfordert den Gesamtankauf des Baugeländes, die Anlag einer Straße und der notwendigen Leitungen. In der Gemeinde befinden sich augenblicklich 15 wohnungssuchende Haushaltsvorstände mit 57 Angehörigen, die fast ausnahmslos zur Erstellung von Neubauten bereit wären, durch den heute bestehenden Mißstand gezwungen sind, sich in den Nachbargemeinden das zum Hausbau notwendige Baugelände zu erstehen. Außerdem ist die Gemeinde vollkommen außerstande, den Anordnungen der vorgesetzten Behörde über die Durchführung der Wohnungsaufsicht nachzukommen, da den in unzulässigen Wohnungen lebenden Familien weder eine entsprechende Wohnung angeboten noch zum Bau eines Eigenheimes verholfen werden kann. Die Durchführung dieses äußerst dringenden Projektes würde erfordern:
Für den Landankauf                                                                       RMK. 30 000,--
Für die Anlage von Straße und Wasserleitung                                  RMK. 30 000,---
5.) Beide zur Gemeinde gehörenden Dörfer haben einen außerordentlich starken Durchgangsverkehr; durch diesen, insbesondere die zahlreich verkehrenden Lastkraftwagen, sind zur Straßenunter- haltung bedeutend mehr Mittel notwendig als die Gemeinde einschließlich der ihr zustehenden Anteile an der Kraftfahrzeugsteuer aufbringen kann. Außerdem besteht das dringende Bedürfnis, die Anlegung von Straßenrinnen zu vervollständigen und die Kanalisation derselben dort durchzuführen, wo offene Rinnen seit Jahren bei besonders starken Regenfällen die von den Bergabhängen fließenden Wassermengen nicht abzuleiten vermögen. Nur so ließen sich in Zukunft die schweren Benachteiligungen der angrenzenden Haus- und Gartenbesitzer vermeiden. Es sei darauf hingewiesen, daß ein stark benutzter Verbindungsweg in Thalfröschen im Winter und bei Nacht nur unter Lebensgefahr zu passieren ist, weil er gleichzeitig als Ablaufgraben dient. Um denjenigen Teil der hier genannten Übelstände zu beseitigen, der einen weiteren Aufschub nicht verträgt, bedarf die Gemeinde eines Mindestbetrages von
                                                         RMK. 20 000,-.-
6.) Von behördlicher Seite wurde bereits vor längerer Zeit die Errichtung von Verwahrungslokalen in Thalfröschen und Höhfröschen gefordert, die bis heute mit Rücksicht auf die äußerst schlechte Finanzlage der Gemeinde jedoch zurückgestellt wurde. Einem abermaligen Ersuchen müßte. die Gemeinde auf alle Fälle nachkommen. Die hieraus entstehenden Kosten würden sich auf
rund
                                                         RMK. 3 000,--
belaufen.
7.) Die Gemeinde besitzt bis heute keinen gemeindlichen Friedhof. Die Katholiken müssen ihre Toten auf dem Friedhof in Fehrbach beerdigen, was besonders im Winter mit großen Erschwerungen verbunden ist. Dazu kommt, daß der Friedhof der protestantischen Kultusgemeinde in wenigen Jahren voll in Anspruch genommen sein wird. Die gegenwärtigen Beratungen über die Erweiterung und Umwandlung in einen gemeindlichen Friedhof können bei
der augenblicklichen Finanzlage der Gemeinde nicht zum Abschluß gebracht werden, weil diese außerstande ist den hierzu notwendigen Betrag von
                                                     RMK. 5 000,--
aufzubringen.
8.) Die eigenartige Oberflächengestaltung der Gemarkung, die sich von den Hochflächen über die Abhänge des Schwarzbachtals bis in dieses selbst erstreckt, hat zur Folge, daß fast nur die oberen Lagen als Ackerland Verwendung finden. Die Zufahrtswege zu denselben für die in Thalfröschen wohnenden Landwirte sind infolge ihrer starken Steigung mit beladenen Wagen unbefahrbar. Um zu dem Ackerland zu gelangen, muß daher die Ver- bindungsstraße Thalfröschen - Höhfröschen benutzt werden, wodurch ein Zeitverlust von mehreren Stünden am Tag entsteht. Es braucht nur auf die außerordentlich mannigfaltige Gemengelage der Gemarkung hingewiesen zu werden, um die Unmöglichkeit einer rationellen Bewirtschaftungsweise zu erkennen. Bei der Dürftigkeit des Bodens könnte die Lage der schwer notleidenden Landwirtschaft in dieser Hinsicht verbessert werden, wenn die Gemeinde in der Lage wäre auf dem Gebiete des Wegebaues wenigstens die notwendigsten Verbesserungen vorzunehmen. In
diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß der Verbindungsweg Thalfröschen - Höhmühlbach infolge seines unfahrbaren Zustandes seit mehreren Jahren den Gegenstand von Besichtigungen und Vermessungen bildet. Die Fahrbarmachung desselben würde wesentlich zur Belebung des Verkehrs und zur Erleichterung des örtlichen Fuhrwerkverke'hres beitragen. Die Finanzierung der notwendigsten der hier genannten Maßnahmen würde mindestens
                                                  RMK. 10 000,--
erfordern.
Wenn die Gemeindeverwaltung an dieser Stelle ihre Notlage schildert und baldige und wirksame Abhilfe fordert, so ist sie sich bewußt, daß Reich und Bayern nicht unbeschränkt Mittel zur Verfügung der Gemeinden bereit haben. Aber diese befinden sich infolge der im Pirmasenser Bezirk herrschenden wirtschaftlichen Not in finanziellen Verhältnissen, die dringend der Abhilfe bedürfen, nachdem es jetzt und in den nächsten Jahren unmöglich sein wird den immer größer werdenden Schwierigkeiten aus eigener Kraft Herr zu werden. Es
ergeht daher an die zuständigen Stellen die Bitte, im Rahmen des Möglichen alles zu tun um die Landgemeinden aus der nicht mehr länger tragbaren-Not zu helfen.
Fröschen, den 15. Dezember 1928
Siegel: Bürgermeisteramt:
Freistaat Bayern gez. Wagner
Gemeinde 1.Bürgermeister
Fröschen
Als Anlagen zu obigem Schreiben waren Aufstellungen über die angeforderten Sachgebiete beigefügt. Sie befinden sich für die Gemeinde Fröschen in der späteren Zusammenstellung der Daten.
Die besagte Denkschrift wurde im Oktober 1929 veröffentlicht.


                                          Titelseite der Denkschrift

Notjahr Froeschen-3  Notjahr Froeschen-2

Hier wird eingehend auf die Verhältnisse des Bezirks Pirmäsens hingewiesen; es würde in diesem Rahmen aber zu weit führen, wenn man die einzelnen Punkte daraus eingehend behandelte. Ich habe deshalb nur die Tatsachen und Daten herausgezogen, die die Orte unserer heutigen Verbandsgemeinde betreffen. Da es sich damals um den Bezirk Pirmasens handelte, waren die Orte Rieschweiler, Maßweiler und Reifenberg nicht dabei.

 Die Denkschrift ist aufgeschlüsselt in nachstehende Punkte:


1) Die geographische Lage und die geologischen Verhältnisse
(unter Berücksichtigung der bestehenden Verkehrsverhältnisse) Hier ist u.a. erwähnt, daß der Bezirk Pirmasens insgesamt über 7290 landwirtschaftliche Betriebe verfügt.
davon                            4378       unter                   2 ha
                                     2006       von                     2- 5 ha
                                      854        von                     5 - 20 ha
                                        51        von                    20 - 100 ha
                                          1        über                          100 ha
Dazu ist vermerkt, daß in diesen überwiegend kleinen Betrieben die überaus starke Streulage der einzelnen Grundstücke eine vollkommene landwirtschaftliche Ausnützung verhindert. Kleine Betriebe, kleine Parzellen und äußerst schlechte Wege erschweren die Anwendung landwirtschaftlicher Maschinen. Die landwirtschaftliche Bevölkerung des Bezirks Pirmasens sei in der Mehrheit gezwungen nebenher einer gewerblichen Beschäftigung nachzugehen.


2) Die Bevölkerung des Amtsbezirks Pirmasens und ihre Zusammensetzung
Hier im Auszug eine Aufstellung über Bevölkerungszahl und Aufschlüsselung nach Art der Beschäftigung:

Notjahr Froeschen 4

3) Die kommunal- und finanzpolitischen Verhältnisse der Gemeinden Hier wird daraufhingewiesen, daß die Verschuldung der Gemeinden seit der Inflation ein bedenkliches Maß erreicht hat. Der heutige Schuldenstand habe den der Vorkriegszeit weit überschritten; der Zinsfuß sei mehr als doppelt so hoch wie früher. Die Gemeinden
müßten oft zur Bestreitung der Ausgaben Darlehen aufnehmen um zumindest die notwendigsten Arbeiten erledigen zu können.
Auch das Wohnungswesen sei denkbar schlecht. Im Landbezirk seien nicht weniger als 680 Wohnungssuchende vorhanden. Einige Gemeinden waren gezwungen, zur Unterbringung von obdachlosen Familien, aus- rangierte Eisenbahnwagen zu beschaffen und aufzustellen. (Auch in Höhfröschen bestand im Kelterweg eine solche Eisenbahnwagenwohnung; hier wohnte die Familie Philipp Pfeifer noch bis nach Kriegsende.)
In Bezug auf das Schulwesen sei in einer großen Anzahl von Gemeinden die Erstellung von Schulhäusern und Lehrsälen dringend erforderlich. In vielen Gemeinden muß wegen Raummangel Wechselunterricht erteilt werden. Zur Bereitstellung von Lehrerdienstwohnungen sind alle Gemeinden unter 3000 Einwohner gesetzlich verpflichtet.
Es sind für die angegebenen Orte unserer Verbandsgemeinde nachstehende Ausgaben erforderlich:
                                           Höhfröschen                 Bau eines 2. Lehrsaales                  20 000,-- RMK.
                                           Thalfröschen                              " 3. "                                 25 000,-- RMK.
                                           Höhmühlbach                Schulhausneubau mit 2
                                                                                Lehrerwohnungen                        100 000,-- RMK.
                                           Petersberg                     Schulhausneubau                          120 000,-- RMK.
Es wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Gemeinden die Mängel und Mißstände aus eigenen Kräften nicht beseitigen können, weil sie leistungsunfähig sind. Selbst die geringsten Arbeiten müssen aus diesem Grunde immer und immer wieder hinausgeschoben werden.
Auch dem Fürsorgewesen ist ein Absatz gewidmet. Hier wird erwähnt, daß besonders 1925/26 im Bezirk Pirmasens eine große Arbeitslosigkeit herrschte, die als Folge des passiven Widerstands anzusehen war. In allen Gemeinden des Bezirks mußte der größte Teil der werktätigen Bevölkerung die Erwerbslosenfürsorge in Anspruch nehmen. Die Kostenanteile der Gemeinden für die Erwerbslosenfürsorge waren fast unerschwinglich; sie muß großteils durch Darlehensaufnahme gedeckt werden.
Dazu ein abschließender Satz im Original:
"Der Hunger ist kein guter Gast; er kennt keine Grenzen und kein Gebot. Die Bevölkerung verlangt nach Brot. Hilfe tut not, ehe die Bevölkerung moralisch zu Grunde geht!"

4) Die eigenartige wirtschaftliche und soziale Struktur. des Bezirks Pirmasens-Land
Hier wird insbesondere auf die Entwicklung der Schuhfabrikation
in Pirmasens hingewiesen. Aus dieser hat sich dann in einem Umfeld von 15 bis 20 km. um Pirmasens durch Bildung von Schuhfabriken und Zulieferbetrieben ein echtes Arbeitszentrum gebildet. Hier findet
man ausgesprochene Industriegemeinden mit 60 bis 90 % Arbeiterschaft. Innerhalb des Bezirks befinden sich schätzungsweise 40 Betriebe,
die, im Durchschnitt 10 bis 100 Arbeiter beschäftigen. Die Kleinbetriebe arbeiten dabei häufig in ihrem eigenen Familienverband, wo durch die Feinarbeit in der Schuhbranche auch Frauen und Mädchen an der Produktion teilnehmen können. Auch in größeren Betrieben ist die Zahl der weiblichen Beschäftigten außergewöhnlich hoch.
Die politisch unklaren Verhältnisse mit Separatistenzeit, Franzosenbesetzung, Inflation und unsicherer wirtschaftlicher Lage der gesamten Pfalz verminderte die Produktion und erzeugte große Arbeitslosigkeit. In den Gemeinden entstand allmählich ein fürsorgebedürftiges Arbeiterproletariat, das seinen Höhepunkt in den Jahren 1928/29 erreicht haben dürfte. (aber dazu noch Weltwirtschaftskrise in den Jahren 1929 bis 1933) Rund 90 % der Arbeiter sind in Schuhindustrie und Zuliefererbetrieben beschäftigt.
Als Fazit muß man bemerken, daß unser Bezirk aus eigener Kraft keinen Weg aus dem Dilemma finden kann und man auf Hilfe von außen angewiesen ist. Dabei wird besonders auf die Vorsorge für die Schuhindustrie hingewiesen. Es sollen zur Hebung der durch die Besetzung veranlaßten Produktionsminderung, sämtliche staatlichen Behörden angewiesen werden, den Bedarf an Schuhwaren für die vom Reich und Staat subventionierten Institute, insbesondere Reichswehr und Landespolizei, aus der Schuhindustrie des Bezirks Pirmasens zu decken.
Auch soll versucht werden, der Landwirtschaft zu helfen; durch Rationalisierung, Melioration des Bodens, Anlage von zweckmäßigen Beund Entwässerungsanlagen, Schaffung von Zu- und Abfahrtswegen, Flurbereinigung, usw.
Abschließend wird bemerkt, daß erste Voraussetzung für neues Blühen und Gedeihen der Westgrenzmark Abzug der Besatzung, Grenzerleichterungen mit Elsaß-Lothringen und Wiederangliederung des Saargebiets ohne Zollschranken an das Deutsche Reich seien.

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Nachstehend nun noch als Abschluß die Gemeinde-Statistik der Orte: Fröschen, Höheischweiler, Höhmühlbach, Nünschweiler, Rodalben mit Petersberg und Thaleischweiler.

 

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